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Splendor
17.07.2014, Jörg Luibl

Special: Splendor

Wettlauf um Edelsteine

Der französische Mathematiker und Spieldesigner Marc André war bisher eher unbekannt. Aber mit Splendor (ab 8,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) dürfte sich das ändern, denn es ist sein erster Überraschungshit. Die Mischung aus Karten- und Sammeltaktik wurde sogar zum "Spiel des Jahres 2014" nominiert. Was steckt hinter der Jagd nach Edelsteinen? Wir haben einige hitzige Abende mit Rubinen, Smaragden und vor allem lauten Flüchen investiert...

Schon wieder Karten sammeln? Edelsteine horten? Splendor hat mich im Vorfeld nicht gerade neugierig gemacht. Das mag auch daran liegen, dass der aristokratische Hintergrund mit Glanz, Pracht und Prunk auf den ersten Blick zu künstlich wirkt. Aber auf den zweiten Blick passt das fürstliche Streben nach Reichtum erstaunlich gut zu einem eher abstrakten Spiel, in dem jeder der zwei bis vier Spieler ohne Rücksicht auf Verluste das Beste für sich bunkern muss. Und das macht richtig bitterböse Laune!

Immer diese Gier...

Innerhalb von maximal zwanzig bis dreißig Minuten erlebt man am Tisch zunächst emsige Ruhe, dann leichtes

Splendor ist komplett auf Deutsch bei Asmodee erschienen. Es ist für zwei bis vier Spieler ausgelegt und kostet knapp 25 Euro.
Gegrübel und Gestöhne, bevor die Hände immer schneller zu Karten greifen. Und schwups, werden auch schon die ersten Flüche laut. Dann entsteht aus der anfänglichen Stille ein gieriges Gekeife: Hey, geht's noch? Du hast mit die Karte mit den fünf Bonuspunkten geklaut! Was denn, wieso deine? Ich habe sie rechtzeitig reserviert - sei halt das nächste Mal schneller! Pass bloß auf, ich krieg dich noch...

Das Spielziel ist schnell erklärt: Wer kann sich so effizient aus einem bunten Pool an Chips und Karten bedienen, dass er als Erster fünfzehn Punkte erreicht? In der Mitte liegen zwölf Karten, auf denen Edelsteine und evtl. Siegpunkte abgebildet sind. Dabei gibt es in der ersten Reihe (grüne Karten) die billigsten, dann die teureren (gelbe Karten) und schließlich die richtig fetten Klunker (blaue Karten). Daneben liegen wie Pokerchips die entsprechenden Farben, mit denen man die Edelsteinkarten bezahlen muss - es gibt

Diese Karte gibt dem Besitzer einen roten Edelstein sowie drei Siegpunkte. Sie kostet allerdings auch einigen Klunker: Die Leiste links gibt den Preis an.
Weiß, Rot, Grün, Blau, Schwarz und Gold als Joker für alle anderen Farben. In seinem Zug darf man entweder Karten kaufen und vor sich auslegen, eine Karte reservieren oder Chips nehmen.

Karten, Chips - alles für die Edelsteine

Zu Beginn hat man nichts und zieht erstmal diese Chips, damit man überhaupt Karten kaufen kann. Die Faszination entsteht dann recht schnell aus der Verknappung, dem Zwang zur Beschränkung sowie den damit verbundenen Kombinationen. Erstens gibt es im Laufe des Spiels nicht immer genug Chips für alle - die farbigen Türme schrumpfen ja, je mehr die Leute horten. Und zweitens darf man ohnehin nur eine bestimmte Menge nehmen der Chips auf einmal nehmen: entweder drei unterschiedlicher Farbe oder zwei einer Farbe, falls es denn noch mindestens vier auf dem Stapel gibt.

Man muss also genau wissen: Für welche ausliegende Karte sammle ich welche Chips? Schlage ich schnell und günstig zu oder warte ich, bis ich mehr Chips für teurere Karten gespart habe? Egal welche Karte man im Visier hat - man sollte sie schneller einsacken als die anderen. Zu zweit kann man Splendor zwar auch spielen, aber gerade zu dritt oder zu viert kann es eher vorkommen, dass mehrere Spieler parallel auf dieselbe Karte wettrüsten. Die Spannung und der Neid wachsen zudem parallel, denn jeder Spieler wird automatisch mächtiger. Warum? Für jede Karte einer Farbe, die er vor sich auslegt, muss er auch entsprechend weniger für eine weitere Karte bezahlen - sprich: Habe ich vier rote, zwei weiße und eine schwarze Edelsteinkarte, kostet mich eine mit genau diesem Preis nichts mehr! Würde sie zwei schwarze kosten, müssten ich auch nur einmal draufzahlen.

Reservieren und absahnen

Aber das Schöne an Splendor ist, dass dieses Sammeln mit Fokus auf die Spielmitte von zwei Mechaniken aufgewertet wird: Reservieren und Zusatzpunkte - das sind zwei ganz wichtige Kniff, die das Spielerlebnis erst so richtig würzen. Was steckt dahinter? Also: Man kann zum einen nur an einen Goldchip kommen, wenn man eine

Für die Fürsten am Rande gibt es Sonderpunkte: Wer als Erster drei schwarze, rote und grüne Edelsteinkarten ausliegen hat, bekommt sie!
ausliegende Karte reserviert! Diese Aktion kann taktisch entscheidend sein, denn man gewinnt quasi einen universell einsetzbaren Joker und hat vielleicht eine fette Punktekarte verdeckt in der Hinterhand - bis zu drei darf man bunkern. Zum anderen liegen am Rand mehrere Fürstenplättchen mit Farbvorgaben: Erfüllt man diese, z.B. drei rote, drei weiße und drei schwarze Edelsteine zu besitzen, bekommt man nochmal exklusiv zusätzliche Punkte.

Aus der Skepsis wird ein Glückwunsch an Marc André! Splendor kommt in den letzten Wochen immer wieder auf den Tisch, weil es angenehm schnell zu spielen, sehr logisch aufgebaut und vor allem im letzten Drittel unheimlich spannend ist. Kaum hat man angefangen, um die Wette zu sammeln, scheint das Spiel vorbei: Wie, du hast schon fünfzehn Punkte? Hey, ich wollte doch gerade noch auf Grün gehen! Zwar werden manche Karten zufällig nachgezogen, aber es geht eher um vorausschauende Planung als um Kartenglück. Das effiziente Horten und Reservieren von Edelsteinen steht im Vordergrund - am besten immer etwas früher als der miese Konkurrent! Splendor ist ein flottes Spiel mit cleverer Reservierungs- und Jokermechanik, das in weniger als einer halben Stunde aus stillem Grübeln lautes Fluchen entstehen lässt. Ideal für hitzige Sommerabende!

Fazit

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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