Codenames - Special, Brettspiel, Spielkultur
...und das Spiel ist vorbei: So ein Mist, wir haben schon wieder verloren! Nach eifriger Diskussion entschieden wir uns für "Afrika", aber das war das falsche Codewort. Unser Geheimdienstchef legt gequält den Attentäter auf den Tisch, alle in unserem roten Team fluchen, während das Grinsen im blauen Team immer breiter wird. Als wir gerade diskutieren, ob wir Agenten mit unserer Schlussfolgerung oder unser Chef mit seinem Hinweis die eigentliche Schuld an der Niederlage trägt, räuspert sich die Gegenseite. Und deren Chef fragt ganz süffisant: Na, noch eine Revanche?
Ein falsches Wort...
Codenames setzt auf Kommunikation und Deduktion: Die beratenden Agenten sind nämlich blind. Nur die beiden nebeneinander sitzenden Geheimdienstchef können anhand eines zufällig gezogenen Rasterplättchens sehen, welche der 25 Karten zu welcher Farbe gehören - und wo der böse schwarze Attentäter lauert. Jedem Wort ist entweder ein Blau, ein Rot, ein Schwarz oder ein Beige für neutral zugeordnet. Der Clou: Die Chefs geben jetzt abwechselnd Hinweise, damit die Agenten hoffentlich auf die richtigen Worte zeigen. Liegen sie falsch, darf die Gegenseite ran.
Blinde Agenten tasten Synonyme
Die Herausforderung für den Hinweisgeber ist klar: Einerseits muss er mit seinem Begriff und seiner Zahl möglichst viele Worte seiner Farbe treffen, andererseits gehören verwandte Begriffe vielleicht zur Gegenseite oder sind, wie die schwarze Karte, für alle tabu. Als Chef grübelt man da schon recht lange, denn man kann sein Team mit zu viel Ehrgeiz auf die falsche Fährte locken oder mit zu viel Sicherheit wie "KONTINENT:EINS" für Afrika nur einen Siegpunkt weiter bringen. Danach könnte das andere Team aufholen. Es kann letztlich sehr spannend werden, weil ja alle in einem 25 Begriffe großen Wortboot sitzen. Das führt meist zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit knappem Finale.
Grübelnde Chefs geben Hinweise
Außerdem hängt der Unterhaltunsgwert stark davon ab, dass sich alle Beteiligten an die Regeln halten - gerade wenn sich Paare sehr gut kennen, kann man natürlich auf subtile Art mogeln, wenn der eine Chef und der andere Agent ist: Das Seufzen oder Stirnrunzeln kurz vor dem Fingerzeig auf "Afrika" wäre natürlich fatal. Schön ist, dass die achtseitige Anleitung genau das anspricht und das "Pokerface" vorschreibt sowie weitere strenge Regeln und Tabus vorstellt, die sich auf Vorsilben, Abkürzungen, Reime etc. beziehen. Ähnlich wie bei Scrabble gibt es einige Grauzonen, die hier sehr gut mit Beispielen geklärt werden. Last but not least hilft eine Sanduhr gegen all zu gemütliche Nachdenker und eine Zwei- sowie Drei-Spieler-Variante, falls man nicht genug Leute findet. Richtig Laune macht Codenames aber erst ab dem Quartett und höher.
Codenames ist das ideale Spiel für den geselligen Abend mit Freunden, wenn man nicht all zu viel Zeit für komplexe Brettspiele hat. Mit der richtigen Gruppe entsteht ein witziger, schneller und leicht taktischer Schlagabtausch, der für reichlich Diskussionsstoff sorgen kann. Der Anspruch hält sich allerdings in Grenzen: Es geht eher um Kommunikation und Spaß als Detektivarbeit - das sind Spiele wie Der Widerstand thematisch spannender oder Spiele wie Da Vinci Code hinsichtlich der Logik reizvoller. Ich würde Codenames zwar nicht für das Spiel des Jahres nominieren, zumal Vlaada Chvátil bereits deutlich Gehaltvolleres konzipiert hat, aber für eine kleine Worträtselei zwischendurch ist es auf jeden Fall geeignet. Ach so: Wer es schnell, aber lieber fies statt kooperativ mag, sollte einen Blick auf Junta werfen.
Fazit
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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