Codenames - Special, Brettspiel, Spielkultur

Codenames
27.05.2016, Jörg Luibl

Special: Codenames

Blinde Wortagenten

Kürzlich wurde Codenames für das Spiel des Jahres 2016 nominiert, außerdem hat es einige internationale Awards einheimsen können. Das Wortspiel wurde von keinem Geringeren als Vlaada Chvátil konzipiert, der bereits mit zwei Spielen in unserer Top 20 der besten Brettspiele vertreten ist: "Galaxy Trucker" und "Im Wandel der Zeiten". Kann das für zwei bis acht Agenten ausgelegte Teamspiel rund um Codewörter begeistern?

...und das Spiel ist vorbei: So ein Mist, wir haben schon wieder verloren! Nach eifriger Diskussion entschieden wir uns für "Afrika", aber das war das falsche Codewort. Unser Geheimdienstchef legt gequält den Attentäter auf den Tisch, alle in unserem roten Team fluchen, während das Grinsen im blauen Team immer breiter wird. Als wir gerade diskutieren, ob wir Agenten mit unserer Schlussfolgerung oder unser Chef mit seinem Hinweis die eigentliche Schuld an der Niederlage trägt, räuspert sich die Gegenseite. Und deren Chef fragt ganz süffisant: Na, noch eine Revanche?

 Ein falsches Wort...

Codenames ist für zwei bis acht Spieler ausgelegt und komplett auf Deutsch beim Heidelberger Spieleverlag erschienen. Es kostet 18,95 Euro.
Natürlich! Schließlich dauert eine Partie Codenames nur eine Viertelstunde. Also werden 25 neue Wortkarten aus einem Vorrat von 400 gemischt und in einem fünf mal fünf Felder großen Raster ausgelegt. Schön ist übrigens, dass die doppelt aufgedruckten Begriffe in beiden Richtungen lesbar sind. Das erste gute Zeichen: Ein "Afrika" ist diesmal nicht dabei, dafür liegen da von "Ketchup" bis "Hubschrauber" viele andere. Das zweite taktische Zeichen: Wir wechseln unseren Chef! Jetzt sitzt uns jemand anderes gegenüber, um die wertvollen Tipps zu geben, mit denen wir neun richtige Karten finden müssen; unsere blauen Kontrahenten brauchen nur acht, weil wir starten.

Codenames setzt auf Kommunikation und Deduktion: Die beratenden Agenten sind nämlich blind. Nur die beiden nebeneinander sitzenden Geheimdienstchef können anhand eines zufällig gezogenen Rasterplättchens sehen, welche der 25 Karten zu welcher Farbe gehören - und wo der böse schwarze Attentäter lauert. Jedem Wort ist entweder ein Blau, ein Rot, ein Schwarz oder ein Beige für neutral zugeordnet. Der Clou: Die Chefs geben jetzt abwechselnd Hinweise, damit die Agenten hoffentlich auf die richtigen Worte zeigen. Liegen sie falsch, darf die Gegenseite ran.

Blinde Agenten tasten Synonyme

Die Perspektive der beiden Chefs: Es wird knapp, denn Blau und Rot haben bereits fünf Codewörter korrekt entschlüsselt. Beim achten bzw. neunten hat man sofort gewonnen.
Wie funktioniert das? Die Hinweise müssen aus zwei Elementen bestehen: Ein Wort und eine Zahl, also z.B. HEISS und DREI. Damit will der Chef sagen, dass drei Worte auf dem Tisch liegen, die irgendwie mit "heiß" zu tun haben. Daraufhin hatten wir im letzten Spiel auf Feuer, Öl und Afrika getippt. Erstere waren richtig, aber Letzteres war falsch - unser Chef meinte eher die "Hexe", weil die ja bekanntlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden...ähm, ja. Aber wieso hat er dann nicht einfach HEISS:VIER gesagt, wo doch auch Afrika auslag? Weil das eben der Attentäter war...

Die Herausforderung für den Hinweisgeber ist klar: Einerseits muss er mit seinem Begriff und seiner Zahl möglichst viele Worte seiner Farbe treffen, andererseits gehören verwandte Begriffe vielleicht zur Gegenseite oder sind, wie die schwarze Karte, für alle tabu. Als Chef grübelt man da schon recht lange, denn man kann sein Team mit zu viel Ehrgeiz auf die falsche Fährte locken oder mit zu viel Sicherheit wie "KONTINENT:EINS" für Afrika nur einen Siegpunkt weiter bringen. Danach könnte das andere Team aufholen. Es kann letztlich sehr spannend werden, weil ja alle in einem 25 Begriffe großen Wortboot sitzen. Das führt meist zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit knappem Finale.

Grübelnde Chefs geben Hinweise

Die zufällig gezogene Rasterkarte: Nur die Chefs sehen, welche Begriffe ihr Team für Rot oder Blau finden muss. Auf keinen Fall dürfen sie sie auf die Fährte der schwarzen Attentäter-Karte (oben in der Mitte) locken!
Manchmal liegen die zufällig verteilten Worte sowie das wichtige Coderaster allerdings so unvorteilhaft, dass scheinbar jeder übergreifende Hinweis auf beiden Seiten richtig wäre. Sprich: Wenn "Europa" sowie "Afrika" für Rot und "Amerika" sowie "Asien" für Blau zählen, kann man sein Team mit "KONTINENT:ZWEI" in eine 50:50-Bredouille bringen. Wenn dann beide Seiten auf Nummer sicher gehen und nur Einzeltipps wie "ELEFANT:EINS" für Afrika geben, kann es auch mal sehr langweilig auf dem Weg zum Sieg werden.

Außerdem hängt der Unterhaltunsgwert stark davon ab, dass sich alle Beteiligten an die Regeln halten - gerade wenn sich Paare sehr gut kennen, kann man natürlich auf subtile Art mogeln, wenn der eine Chef und der andere Agent ist: Das Seufzen oder Stirnrunzeln kurz vor dem Fingerzeig auf "Afrika" wäre natürlich fatal. Schön ist, dass die achtseitige Anleitung genau das anspricht und das "Pokerface" vorschreibt sowie weitere strenge Regeln und Tabus vorstellt, die sich auf Vorsilben, Abkürzungen, Reime etc. beziehen. Ähnlich wie bei Scrabble gibt es einige Grauzonen, die hier sehr gut mit Beispielen geklärt werden. Last but not least hilft eine Sanduhr gegen all zu gemütliche Nachdenker und eine Zwei- sowie Drei-Spieler-Variante, falls man nicht genug Leute findet. Richtig Laune macht Codenames aber erst ab dem Quartett und höher.

Codenames ist das ideale Spiel für den geselligen Abend mit Freunden, wenn man nicht all zu viel Zeit für komplexe Brettspiele hat. Mit der richtigen Gruppe entsteht ein witziger, schneller und leicht taktischer Schlagabtausch, der für reichlich Diskussionsstoff sorgen kann. Der Anspruch hält sich allerdings in Grenzen: Es geht eher um Kommunikation und Spaß als Detektivarbeit - das sind Spiele wie Der Widerstand thematisch spannender oder Spiele wie Da Vinci Code hinsichtlich der Logik reizvoller. Ich würde Codenames zwar nicht für das Spiel des Jahres nominieren, zumal Vlaada Chvátil bereits deutlich Gehaltvolleres konzipiert hat, aber für eine kleine Worträtselei zwischendurch ist es auf jeden Fall geeignet. Ach so: Wer es schnell, aber lieber fies statt kooperativ mag, sollte einen Blick auf Junta werfen.

Fazit

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

Weitere Brettspieltests im Archiv!