Gran Turismo Sport - Special, Rennspiel, PlayStation4, VirtualReality, PlayStationVR

Gran Turismo Sport
27.06.2019, Michael Krosta

Special: Gran Turismo Sport

Virtueller Motorsport auf Weltklasse-Niveau

Parellel zum 24-Stunden-Rennen am Nürburgring veranstalteten Sony und Polyphony Digital das zweite Live-Event der FIA Certified Gran Turismo Championships an der berühmten Rennstrecke in der Eifel. Wir waren ebenfalls vor Ort und haben die Läufe in der Manufacturers Series sowie dem Nations Cup live in der Arena im Ring Boulevard verfolgt…

55 der weltweit besten Spieler aus 20 Ländern wurden von Sony für die zweite Runde der World Tour eingeladen, um in einer Reihe von Rennveranstaltungen gegeneinander anzutreten. Dabei winken den Siegern der Manufacturer Series sowie des Nations Cups nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch die direkte Qualifikation für das große Weltfinale am Ende der Saison. Zum Auftakt in Paris sicherte sich der Chilene Nicolás Rubilar das vorzeitige Ticket, während bei den Herstellern das Team von Aston Martin zum Sieg raste.

Die Besten in Racing-Action

Am Nürburgring deutete sich in den ersten beiden Läufen der Manufacturer Series dagegen ein Comeback von Lexus an: Der Hersteller-Champion aus der vergangenen Saison gewann die ersten beiden Rennen souverän und ließ Verfolger wie Porsche, Jaguar sowie Mercedes Benz auf den Pisten Circuit de Sainte-Croix - B und Sardegna - Road Track - B in Boliden der Gruppe 4 hinter sich. Doch nach einem massiven Einbruch im dritten Rennen wendete sich das Blatt, als das Lexus-Team nach diversen

24 Fahrer traten beim Live-Event im Nations Cup gegeneinander an.
Zwischenfällen erst als Letzter die Ziellinie überquerte und BMW als Sieger punktete.

Beim Finale mit fünf Runden auf dem Nürburgring im 24h-Layout inklusive Nordschleife warteten ein paar Änderungen: Zum einen durften die drei Fahrer pro Team die Rennen nicht länger einzeln absolvieren, sondern mussten den letzten Lauf als Team inklusive Fahrerwechsel während der Pflichtboxenstopps meistern. Zum anderen gab es für Platzierungen innerhalb der Top Ten die doppelte Punktzahl, so dass man als Sieger 24 statt der üblichen Punkte einheimsen konnte. Die Gunst der Stunde nutzte dabei Toyota: Obwohl das Team in den vorangegangenen Rennen nur in die Nähe des Podests kam, sicherte sich das Trio mit Simon Bishop (Neuseeland), Rick Kevelham (Holland) und Tomoaki Yamanaka (Japan) in einem dramatischen Finale den Sieg vor Mercedes Benz. Vor allem die beiden letzten Top-Fahrer Simon Bishop und Cody Nikola Latkovski lieferten sich auf den letzten Metern ab der Döttinger Höhe ein spannendes Kopfrennen, das erst kurz vor dem Ziel mit einer strittigen Szenen in der letzten Schikane am Hohenrain in einem engen Zweikampf der beiden inklusive Kontakt vorläufig entschieden wurde. Nach dem verärgerten Protest von Latkovski und seinem Mercedes-Team fiel das endgültige Rennergebnis erst

Das Toyota-Team konnte sich in der Manufacturer Series durchsetzen.
am grünen Tisch zugunsten des Toyota-Teams, das sich mit einem mageren Punkt Vorsprüng den Sieg vor Mercedes-Benz und dem drittplatzierten BMW-Team sichern konnte.

Mit Teamwork zum Sieg

Hier zeigte sich erneut, wie wichtig reale Rennkommissare aus Fleisch und Blut sind. Genau wie in realen FIA-Rennserien beobachten auch bei GT Sport drei Stewards das Renngeschehen und insbesondere die strittigen Zweikampf-Duelle mit Argusaugen, um rücksichtloses Fahren oder unfaire Aktionen mit Zeitstrafen zu ahnden, bei denen die Fahrer für eine vorgegebene Zeit vom Gas gehen müssen.

Echte Rennkommissare

In Online-Partien, die auch Bestandteil der Qualifikation für die Live-Events sind, greift dagegen ein automatisches Strafsystem, dessen Entscheidungen bei den Spielern nicht immer auf Verständnis stoßen. Im Gespräch gelobt Serien-Vater Kazunori Yamauchi zwar weiterhin Verbesserungen am Einstufungs- und Strafsystem, weist aber gleichzeitig darauf hin, wie schwer es ist, Unfälle abseits der Erfassung des Zusammenstoßes bewerten und die gesamte Rennsituation vollkommen richtig von dem automatischen Strafsystem einschätzen zu können. Diese Aufgabe einem künstlichen neuronalen Netz zu übertragen, das durch ständige Unfallanalysen theoretisch viel Erfahrung sammeln und davon lernen könnte, sieht Yamauchi kritisch, weil die Technologie seiner Meinung nach noch nicht weit genug entwickelt ist. So werden wohl auch in Zukunft nur die Live-Events mit ihren Rennkommisaren die ideale Voraussetzung für virtuellen Motorsport unter realen Bedingungen in GT Sport bieten.

Vor den finalen Läufen im Nations Cup wartete mit dem „GR Supra GT Cup“ eine weitere Veranstaltung in Form eines Freunschaftsrennens, in dem alle Teilnehmer im neuen Supra-Modell von Toyota Platz nahmen und entsprechend unter gleichen Bedingungen auf die Piste gingen. Nach zwei Runden auf der Nürburgring Nordschleife konnte sich schließlich der Italiener Salvatore Maraglino gegen die Konkurrenz behaupten.

Champion auf der Überholspur

Beim Nations Cup schien der amtierende Weltmeister Igor Fraga weiterhin in Top-Form zu sein und untermauerte seine Favoritenrolle mit einem hart umkämpften Sieg beim ersten Halbfinal-Rennen auf dem Nürburgring in N300-Fahrzeugen, während sich im zweiten Halbfinale der Australier Cody Nikola Latkovski durchsetzen konnte. Weniger gut lief es für unseren deutschen Hoffnungsträger Mikail Hizal, der einmal mehr eine unglückliche Auto-Auslosung erwischte und nach seinem achten Platz im Halbfinale nur noch über das Repechage Race (Hoffnungslauf) für einen Platz im Finale mitkämpfen durfte.

Dort wartete allerdings eine besonders harte Nuss: Neben elf Konkurrenten musste sich Hizal auf dem Red Bull Ring in Österreich hinter dem Steuer seines Gruppe-B-Boliden auch noch mit einer nasse Piste und Schmuddelwetter auseinandersetzen. Regen in GT Sport? Richtig gelesen: Auf dem Nürburgring gab es neben neuen Strecken bereits einen ersten Vorgeschmack auf das Wettersystem, das bisher nur in vereinzelten

Der deutsche Hoffnungsträger Mikail Hizal hatte trotz beeindruckender Siegquote weder einen guten Tag noch ein gutes Auto erwischt.
Fahrprüfungen zur Verfügung stand und mit dem nächsten Update auch Einzug ins normale Spiel auf augewählten Strecken halten wird.

Endlich Regenrennen

Im Hoffnungsrennen schlitterte Adam Suswillo als Erster über die Ziellinie. Darüber hinaus konnten sich auch Baptiste Beauvois, Tatsuya Sugawara und Mathew Simmons für die Teilnahme am Finale qualifizieren. Mit seinem zehnten Platz musste sich Mikail Hizal dagegen vorläufig aus dem Wettbewerb verabschieden. Im persönlichen Gespräch wirkte er angesichts kommender Live-Events in New York und Tokio sowie dem überzeugenden Punktepolster nach den Online-Läufen dennoch sehr entspannt und rechnet sich weiter gute Chancen aus, es bis ins Weltfinale zu schaffen.

Am Nürburgring musste er das große Finale im Nations Cup dagegen als Zuschauer verfolgen: Schon kurz nach dem Start setzte sich Igor Fraga in seinem Prototypen-Geschoss aus der X-Klasse auf dem Sardegna - Road Track A deutlich von seinen Verfolgern ab. Erst ein kleiner Fahrfehler in der vierten Runde brachte den Spanier Coque Lopez wieder näher an den Führenden heran und der Abstand pendelte sich in den nachfolgenden Runden bei knapp zwei Sekunden ein. Überraschenderweise konnte auch Cody Nikola Latkovski relativ gut mithalten,

Igor Fraga musste kämpfen und hatte am Ende auch ein Quäntchen Glück.
obwohl er auf Medium-Reifen unterwegs war, während das Führungs-Duo auf der schnellen Soft-Mischung unterwegs war.

Spannener Reifenpoker

In der achten von 20 Runden entschied sich Fraga für seinen ersten Stopp und wechselte nicht nur für den Reifenwechsel auf Medium, sondern auch zum Nachtanken, während Lopez eine Runde später die Box ansteuerte und auf die gleiche Reifenstrategie setzte. Wie stark die Unterschiede zwischen den Reifenmischung ausfallen, zeigte nicht nur eine Hochrechnungs-Grafik, sondern auch der Japaner Tatsuya Sugarawa, der mit weichen Reifen und enorm schnellen Rundenzeit rasant die Lücke zu Fraga und Lopez an der Spitze schließen konnte.

Auf der Strecke gab es für Lopez zwar kein Vorbeikommen an Fraga, doch nutzte der Spanier seinen späteren Boxenstopp, um sich vor den Champion zu schieben, der mehr Zeit zum Nachtanken einkalkulieren musste. Gleichzeitig wurde dem flotten Japaner Sugarawa der Benzinverbrauch zum Verhängnis: Da er deutlich mehr Sprit nachfüllen musste, landete er nach seinem letzten Boxenstopp nur im Mittelfeld, wo er auch das Rennen beendete.

Platzgewinn in der Box

Derweil kam Latkovski mit Riesenschritten näher: Während Lopez und Fraga auf der langsamen harten Reifenmischung unterwegs waren, hatte sich der Australier die flotten Soft-Pneus für seinen letzten Stint aufgespart. In der vorletzten Runde war er nicht nur am Führungs-Duo dran, sondern kassierte sogar Fraga mit einem eleganten Überholmanöver, in dem er seine Grip-Vorteile ausspielte. Die letzte Runde war von purer Dramatik geprägt, in denen auch die Fahrer Nerven zeigte: Zunächste drehte sich Latkovski nach einem engen Duell im Sandwich zwischen Lopez und Fraga, bevor der Führende kurz vor der Zielgeraden in einer Kurve zu weit nach außen trieb und kurz neben der Strecke landete. Damit war der Weg frei für Igor Fraga, der sich den knappen sowie glücklichen Sieg und damit die direkte Qualifikation für das Welt-Finale sicherte. Dahinter folgten Latkovski und überraschend der Franzose Rayan Derrouiche. Lopez, der kurz vor dem Ende noch als sicherer Sieger aussah, musste sich dagegen mit dem sechsten Platz begnügen, da ihm auf den letzten Metern noch der Sprit ausging.

Professionelle Aufmachung, gelungene Moderation und kompetente Moderatoren in sieben Sprachen: Wie schon im letzten Jahr bewiesen Sony und Polyphony Digital auch am Nürburgring, wie man eine eSport-Veranstaltung überzeugend aufzieht und eindrucksvoll präsentiert. Das betrifft nicht nur die klasse inszenierten Rennen inklusive der Einspielung von Wiederholungen, sondern auch die Hintergrundberichte und Interviews mit den Akteuren. Zudem hätte man sich vermutlich keinen besseren Schauplatz für die zweite Runde der World

Sony gewährte uns einen Einblick in den Technik-Trailer, in dem das Programm live gestaltet wird.
Tour aussuchen können: Neben dem 24-Stunden-Rennen am Nürburgring verblasst sogar das hippe Monaco, in dem vergangenes Jahr das Welt-Finale ausgetragen wurde.

Massentauglicher eSport

Anlass zur Kritik bieten nur die vereinzelten technischen Aussetzer bei der Übertragung, wodurch den Zuschauern im Ring Boulevard das eine oder andere Überholmanöver entgangen ist, weil die große LED-Leinwand Probleme bereitete. Zudem bin ich immer noch kein großer Fan davon, dass die Fahrzeugwahl der Teilnehmer an ein Losglück gebunden ist. Klar möchte man in den Rennen ein möglichst vielfältiges Starterfeld an Autos sehen. Doch wie wäre es, wenn die Fahrer pro Kategorie drei bevorzugte Boliden angeben könnten, die ihnen zugewiesen werden? So könnte man zumindest ausschließen, dass die Piloten hinter dem Steuer eines Modells sitzen, in dem sie sich überhaupt nicht wohlfühlen und nicht ihre Leistung abrufen können. Für diskussionswürdig halte ich außerdem den Umstand, dass auch reale Rennfahrer an dem Wettbewerb teilnehmen dürfen. Nichts gegen Igor Fraga: Der brasilianische Champion macht als eSportler eine hervorragende Figur, hat durch seine Teilnahme und Erfahrung an realen Rennserien aber auch einen gewissen Vorteil gegenüber seinen Mitstreitern. Was wäre, wenn plötzlich auch ein Lewis Hamilton oder Sebastien Loeb ihre Faszination für GT Sport entdecken und klassische eSportler im Cockpit verdrängen würden? Das will eigentlich niemand, auch wenn es der FIA Certified Gran Turismo Championships sicher einen gewaltigen Popularitäts-Schub bescheren würde. Aber auch ohne die großen Namen des Motorsports befindet sich die virtuelle Rennserie auf einem sehr guten Weg und schmiedet sich ihre eigenen Stars…