Villagers - Special, Brettspiel, Spielkultur
Moment mal, war das Mittelalter nicht finster? War da nicht alles, braun, grau und düster? Villagers pfeift auf das Klischee und präsentiert sich wie ein frischer Obstkorb auf weißer Tischdecke: Das Artdesign von Haakon Gaarder ist hell, klar und voller bunter Farben, so dass das Ganze nach ein paar Runden eher wie eine moderne als historische Kulisse anmutet. Aber diesem reinen Kartentaktikspiel steht diese Illustration hervorragend, zumal auch die Figurenzeichnungen sehr ansehnlich sind.
Kunterbunte Kartentaktik
Noch wichtiger ist allerdings der coole Spielfluss samt seiner schönen Kombos: Denn hier legt man irgendwann flott seine Karten an, um seine Handwerker in mehreren Stufen immer weiter zu spezialisieren. Man baut also kein Dorf aus Gebäuden auf, sondern aus Berufen wie Strohdachdecker, Geflügelhändlerin & Co. Und wer diese am besten kombiniert, platziert und entwickelt, bekommt dafür am Ende die meisten Siegpunkte. Wer also gerne sammelt und aufbaut, wird hier seinen Spaß haben. Wie funktioniert das Spiel? In zwei Phasen reihum, bis zweimal auf einem Markttag abgerechnet wird.
Die Gründung des Dorfes
Das bedeutet: Wenn ich einen Tischler oder Ähnliches brauche, den ich nicht auf der Hand habe und der nicht offen ausliegt, könnte ich mein Glück im verdeckten Stapel Holz versuchen. Da das Spiel auch einen klares Farbschema wie Grün (Holz), Schwarz (Erz), Lila (Heu), Rosa (Wein) etc. für alle Berufszweige und Sonderfunktionen besitzt, findet man auf einen Blick schnell das Richtige. Nachdem sich alle in der "Draftphase" abwechselnd zwei oder mehr Karten genommen haben, wird in der "Bauphase" ausgelegt.
So entsteht neben der Gründerkarte ein Dorf aus Berufen, die jeweils in vertikalen Reihen zu Spezialisten weiter wachsen, indem man sie wie beim klassischen Solitaire aufeinander legt. Die erste Karte zeigt an, ob man eine oder mehrere Reihe anlegen kann: An den Holzfäller darf ich z.B. links eine Radmacherin und rechts einen Tischler anlegen - und an diese vielleicht weitere, so dass die Einnahmen steigen. Aber ich darf nicht beliebig nach Farbe oder Rohstoff weiter anlegen, sondern nur in der Reihenfolge, die auf der Ursprungskarte angegeben ist. Ordnung muss sein! Was dafür sorgt, dass man verzweifelt nach diesem einen Lückenfüller Ausschau hält.
Solitaire mit Kombos
Auf dem Holzfäller steht z.B. die Kette aus Holzfäller, Radmacherin und Wagner. Letzterer gibt zwar satte neun Gold, aber für ihn muss ich erst den Weg bereiten, indem ich die beiden anderen schon engagiert habe. So entsteht ein wunderbarer Wettstreit um die passenden Karten, die man den anderen natürlich aus der Auslage stibitzen kann.
Zumal auch die Beobachtung der anderen Dörfer taktisch hilfreich ist: Wenn ich sehe, dass da schon zwei ordentlich Holz hacken und Berufe dazu bilden, sollte ich mich vielleichtauf Erz, Wein oder etwas anderes konzentrieren. Auch wenn gerade nichts offen ausliegt: Es gibt ja drei jederzeit zugängliche Berufe, darunter auch Bergarbeiterin sowie Heuwender, so dass man zumindest in den ersten Runden weniger stark auf das Glück angewiesen ist - irgendwas kann man also immer bauen.
Schlösser und Spezialisten
Nachdem man sich in den ersten Spielen ohne Schlösser und Spezialisten in das Prinzip reingefuchst hat, gibt es nichts am Regelwerk auszusetzen - vor allem, wenn man verinnerlicht hat, dass nur die Funktionen der jüngsten, also kürzlich gelegten Karte in einer Berufskette zählen. Und dass am ersten Markttag nur das Gold, aber am wichtigen zweiten sowohl das Gold als auch Silber abgerechnet wird; man kann also noch gut für die Endwertung aufholen.
Was gefällt nicht so gut?
Kein Wunder, dass dieser Dorfbau auf Kickstarter so ein Erfolg war: Villagers ist ein flottes Kartenspiel mit tollen Kombos! Wer Lust auf taktisches Sammeln, Auslegen und Spezialisieren hat, wird hier richtig gut unterhalten. Das frische Artdesign sorgt für buntes Mittelalter-Flair mit einer klaren Farbensymbolik, die wiederum das durchdachte Spielprinzip mit seinen Berufszweigen und Berufsketten unterstützt. In zwei Phasen baut man ein Dorf aus Handwerkern & Co, während Runde für Runde ein spannender Wettstreit um die passenden Karten entsteht - die man den anderen natürlich aus der Auslage stibitzen kann. Freischaltbare Schlösser und Spezialkarten sorgen für zusätzliche Würze in einem kompetitiven Kartenspiel, das auch nach zig Partien noch für Überraschungen am Tisch sorgen kann. Für knapp 20 Euro bekommt ihr hier taktische Unterhaltung mit hohem Wiederspielwert.
Fazit
Ihr sucht Alternativen im Städtebau? Drei Tipps aus unserem Archiv: Wer es kurzweiliger und exotischer mag, baut in Machi Koro mit Würfelglück und Kartentaktik für knapp 13 Euro. Einen Hauch von SimCity samt Hexfeldflair gibt es in Suburbia für knapp 35 Euro. Wer es kooperativ und etwas "realer" mit Umweltverschmutzung, Verkehr, Kriminalität & Co mag, findet in Cities Skylines - Das Brettspiel für knapp 35 Euro die gelungene Umsetzung des Videospiels von Paradox.
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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