Imperial 2030 - Special, Brettspiel, Spielkultur

Imperial 2030
08.01.2020, Jörg Luibl

Special: Imperial 2030

Geld ist Macht

Risiko ist euch zu eindimensional? Und Twilight Imperium zu komplex? Aber ihr wollt euch trotzdem auf einer Weltkarte am Tisch bekämpfen? Dann solltet ihr einen Blick auf Imperial 2030 werfen. Das kompetitive Strategiespiel von Mac Gerdts, der uns schon mit Concordia überzeugen konnte, entführt euch in eine nahe Zukunft, in der mächtige Investoren die Politik von Nationen beeinflussen - inklusive Aufrüstung und Krieg.

...hat die Macht, bis es in Kriegen kracht. In Zukunft kann man nicht nur Schiedsrichter oder Fußball-Weltmeisterschaften, Rüstungsfirmen oder Politiker kaufen, sondern auch Regierungen samt Außenpolitik. Imperial 2030 versetzt euch in die Rolle von anonymen Investoren, die bestimmen dürfen, ob die USA vielleicht Brasilien angreifen, ob Russland Panzer und Flotten baut oder Indien mal eben Australien überfällt. Das klingt nicht nur wie eine Variante von Risiko, sondern sieht nach dem ersten Aufbau mit der Weltkarte auch so aus, die in neutrale gelbe Gebiete, diverse Ozeane und farbige Fraktionen unterteilt ist.

Wer das Geld hat...

Aber Mac Gerdts inszeniert die Eroberung der Welt wesentlich subtiler und spielmechanisch verzahnter als der rein militärische Klassiker aus dem Jahr 1957. Auch wenn das Aufrüsten und Krieg führen inklusive Panzer und Flotten relevant ist, die man aktiv von Gebiet zu Gebiet manövriert, besteht das Ziel des Spiels nicht in der territorialen Herrschaft oder Vernichtung der Gegner. Es geht in erster Linie um die clevere wirtschaftliche Ausbeutung der sechs Nationen. Man wählt weder Russland, China, Indien, Brasilien, USA oder Europa als permanente Fraktion, sondern spielt quasi mit allen, indem man ihnen Kredite verleiht.

Imperial 2030 ist komplett auf Deutsch beim PD-Verlag erschienen und kostet knapp 45 Euro. Es ist für zwei bis sechs Spieler ausgelegt.
Trotzdem startet man je nach Spielerzahl mit einer oder zwei zufälligen Nationen, in denen man zu Beginn die jeweils höchsten Summen angelegt hat: So wandert der Großteil des Startgeldes der Spieler erstmal direkt in die Staatskassen.

Sechs Nationen von Russland bis Brasilien

Ihr habt in China und Australien das meiste Geld investiert? Dann nehmt euch die Länderkarten! Das heißt: Ab sofort seid ihr quasi Regierungschefs und bestimmt, was dort gebaut wird oder wohin sich die Truppen bewegen. Aber Vorsicht: Sobald jemand anderes noch mehr investiert, übernimmt er die Regierung!

Genau aus dieser Ungewissheit heraus entsteht im weiteren Spielverlauf sehr viel Spannung. Denn natürlich gewöhnt man sich zunächst an seine Startnation(en), empfindet sie quasi als Heimat, weil man sie ja in den ersten Runden mit Fabriken ausbaut und ihr Territorium über Kriege erweitert, was letztlich zu mehr Zinsen und Macht führt. Doch ein anderer Spieler kann mit einem höheren Kredit jederzeit dieses Imperium übernehmen. Daher versteckt man sein privates Geld immer, während lediglich die Kredite und Staatskassen für alle einsehbar sind.

Aber wie macht man Geld? Wie bekommt man Machtpunkte? Indem man zum einen die Infrastruktur der Nation ausbaut: Man kann zwar lediglich Panzerfabriken oder Werften an vorgegebenen Stellen errichten, die allerdings bei der Aktion Produktion je eine Einheit ausspucken und bei der Steuer je zwei Millionen erwirtschaften. Zum anderen bringt jedes eroberte Gebiet mit eigener Flagge eine Million. Je nachdem wie hoch diese Summe an Einnahmen ist, bekommt man einen Geldbonus direkt in die private Kasse sowie Machtpunkte - erreicht eine Nation so 25 Punkte, ist das Spiel vorbei.

Allerdings muss man aus der Staatskasse die Truppenkosten von einer Million pro Einheit von der obigen Summe bezahlen, bevor der Bonus in die eigene Tasche fließen kann. Das Coole und Perfide an dem System: Man muss die Steuer zum richtigen Zeitpunkt als Aktion wählen. Am besten, wenn man gerade viele Länder erobert und auch möglichst eigene Verluste im Krieg gemacht hat, weil man die Toten ja nicht mehr bezahlen muss. Man kann sich also nicht einigeln, sondern sollte offensiv, ökonomisch und kalt inkl. Kanonenfutter agieren.

Kanonenfutter eingerechnet

Sieht aus wie Risiko, aber spielt sich komplett anders.
Aber bekommt man von den anderen Spielern überhaupt die Chance, die Früchte seiner Eroberungen per Steuer einzusammeln? Oder fallen sie mit der Aktion Manöver an den Grenzen ein, weil kaum noch Truppen zur Sicherung dort stehen? Auch geostrategisch gilt es, die Augen offen zu halten, denn Eroberungen sorgen ja auch für Macht, außerdem kann man Wege blockieren, Fabriken lahmlegen, Provinzen besetzen und somit andere Spieler empfindlich treffen.
Das Kampfsystem ist sehr simpel, kommt ohne Würfel oder Werte aus: Egal ob zu Lande oder zu Wasser gewinnt derjenige, der mehr Truppen dort hat - wobei nur die Differenz überlebt. Stehen sich also zwei amerikanische und eine russische Flotte im Atlantik gegenüber, bleibt eine US-Flotte übrig. Diese Beschränkung auf das Wesentliche ist aber genau richtig im eher ökonomischen Kontext, zumal sie den Spielfluss fördert. Es gibt auch kein militärisches Game Over, wenn jemand keine Nation mehr anführt - dann übernimmt man die Schweizer Bank und kann tatsächlich noch gewinnen.

Steuerrekord, aber frei zur Eroberung?

Auf dem Aktionsrad bewegt man alle sechs Nationen.
Übrigens: Man muss nicht immer kämpfen, darf sogar diplomatische Absprachen treffen oder Allianzen bilden, so lange man kein Geld hin und her schiebt, denn das ist tabu (auch wenn es natürlich thematisch passen würde). Russland kann also Amerika fragen, ob diese Flotte mal eben friedlich den Nordatlantik durchqueren darf. Man kann auch Afrika unter sich aufteilen oder einen Nichtangriffspakt schließen. Noch einfacher wird es natürlich "außenpolitisch", wenn man gerade selbst beiden Nationen die höchsten Kredite gibt - dann darf man alles frei verschieben oder sie sogar kämpfen lassen, um bei der Steuer vielleicht den Ertrag zu steigern.

Apropos Ertrag: Die Steuer ist wichtig, aber die Aktion Investor ist noch wichtiger. Zum einen muss das aktive Land aus der Staatskasse die Zinsen an die jeweiligen Kreditgeber zahlen. Hier bekommen alle Spieler Geld, die etwas investiert haben. Es lohnt sich also aus mehreren Gründen, im Laufe der Zeit in andere Nationen zu investieren - man kann sie eher komplett übernehmen, indem man z.B. vorhandene Kredite aufstockt, man bekommt die Zinsen und bei der Endabrechnung gibt es ebenfalls Geld und damit Siegpunkte.

Investieren und gewinnen

Schmerzhaft für den jeweiligen Regierungschef wird die Aktion Investor übrigens, wenn in der Staatskasse nicht genug für die Zinsen der anderen Spieler ist - dann muss er es aus seiner Privatkasse zahlen. Und noch etwas sorgt dafür, dass gerade diese Aktion die Spannung erhöht: Denn wer bei ihrer Ausführung die Investorenkarte besitzt, die reihum wandert, bekommt nicht nur zwei Millionen Cash, sondern darf einen neuen Kredit verleihen. Nur in diesem Moment kann man sich also irgendwo beteiligen oder die komplette Regierung übernehmen! Im Idealfall nutzt man Investor also dann, wenn man selbst die Karte besitzt.

Gelbe Gebiete gelten als neutral. Sobald man Truppen entsendet, darf man seine Flagge dort platzieren.
Neben dem Prinzip der streng getrennten Kassen gehört zu den sehr guten Mechaniken von Imperial 2030 auch, dass man sich zwar auf einem Kreistableau für eine von sieben Aktionen (Fabrik, Produktion, Import, Manöver, Investor, Steuer) entscheiden kann, aber dass nur die kommenden drei frei sind, so dass man nicht immer kostenlos dasselbe machen kann. Außerdem ist es klasse, dass es quasi keinerlei Zufallselemente oder nationale Fähigkeiten gibt: Lediglich die geostrategische Ausgangslage oder die Nähe zu Panama- sowie Suez-Kanal gewährt leichte Vorteile in bestimmten Situationen, aber ansonsten ist das Spiel komplett ausgeglichen.

In der sehr guten deutschen Anleitung, die auch dank des FAQ sowie einer kommentierten Anfangsrunde mit Spielzügen keine Fragen offen lässt, werden die Regeln für zwei bis sechs Spieler erläutert, die sich nur marginal unterscheiden. Außerdem gibt es eine Variante für erfahrene Spieler, bei der die Startkredite und Länderverteilungen modifiziert werden und einen kleinen Ekurs zur Entstehung von Imperial 2030, das ja eine Art Nachfolger im Geiste des 2006 erschienenen Imperial ist.

Hier sieht man die verfügbaren Kredite sowie das Geld in der Staatskasse.
Abgesehen von Äußerlichkeiten, wie etwa dem fragwürdigen Artdesign, das eher nach 80er Jahre als nach 2030 aussieht, kann ich lediglich die immer gleiche Aufbauphase kritisieren: In den ersten Aktionen müssen alle Spieler eigentlich erstmal dasselbe machen, um ihre Nationen mit Fabriken aufzurüsten, Steuergeld einzunehmen und Truppen zu bauen. Aber nach ein paar Runden löst sich dieser Gleichschritt auf und es entwickelt sich je nach Expansion und Kreditvergabe auch bei mehrmaligem Spielen immer ein neues Erlebnis.

Was gefällt nicht so gut?

Imperial 2030 hat es in meine Top 20 geschafft! Ich wollte diesen Klassiker schon seit Jahren spielen, nachdem mir schon die Verzahnung von Expansion und Handel ohne Glückselemente in Concordia sehr gut gefallen hat. Über Weihnachten haben wir endlich zugeschlagen und selbst die Militärmuffel hatten richtig Spaß mit dieser Art der Eroberung. Denn im Gegensatz zum klassischen Risiko hat man in dieser kompetitiven Strategie viel mehr Möglichkeiten, um erfolgreich zu sein: Zwar ist die Eroberung von Ländern und der Kampf durchaus wichtig, aber erst mit der cleveren Kreditvergabe und wirtschaftlichen Ausbeutung wächst die eigene Macht. Hinzu kommt die Spannung des Regierungswechsels, denn jeder Spieler kann andere Nationen plötzlich übernehmen, wenn er nur genug Geld hat. Wer kann in möglichst vielen Ländern investieren, diese entwickeln, militärisch expandieren, sie ausbeuten und damit finanziell profitieren? Wer kann an der Oberfläche diplomatisch, aber letztlich skrupellos sein? Es gibt selten Brettspiele, die sowohl spielmechanisch so durchdacht sind und die gleichzeitig unserer perfiden, von der Finanzwelt dominierten Gegenwart den Spiegel vorhalten.

Fazit

 
Kommentare
Grauer_Prophet

Interessant -aber zu wenig Zeit

vor 4 Jahren
calmon

Imperial spiele ich regelmäßig alle 2-3 Jahre. Wir spielen die Original Karte aber mit den 2030er Regeln. Super Spiel, habe ich früher auch lange auf brettspielwelt gezockt.

vor 4 Jahren
Junkfoot

Wenn ihr das Artdesign nicht mögt empfiehlt sich der Vorgänger namens Imperial, welcher im 19. Jh spielt. Ist wohl gameplaymässig identisch bis auf eine kleine Veränderung. Ansonsten empfehle ich , über das Boxdesign hinweg zu sehen. Hatte noch kein Brettspiel bisher bei dem ich mir dachte, dass ich mal lieber meine Truppen in einem sinnlosen Krieg verheizen sollte, damit ich mehr Kohle verdienen kann. Danach hab ich mich im ersten Augenblick richtig schlecht gefühlt, aber das ist Kapitalismus, Ladies und Gentlemen. Eiskalter Kapitalismus.

vor 4 Jahren
AkaSuzaku

Ach das Spiel hätte ich schon lange mal gekauft wenn es Optisch nicht so Altbacken wäre.
Das Spiel sieht aus als wäre es schon 50 Jahre alt. Dabei ist es nicht mal Retro sondern einfach billig designed.
Sehr schade den Gamplay mässig sollte es wirklich hammer sein.
Optisch scheint es wirklich den 70ern oder 80ern entsprungen. Irgendwo zwischen Risiko (1975) und Scottland Yard (1982) würde es sich ganz gut einfügen.

Allerdings darf man dabei nicht vergessen, dass das Spiel mittlerweile auch schon 11 Jahre alt ist und nicht von einem der großen Verlage stammt.

vor 4 Jahren