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Spielkultur
09.02.2021, Benjamin Schmädig

Special: Spielkultur

25 Jahre Tomb Raider

„100.000 Exemplare?“, peilte man bei Eidos durchs zugekniffene Auge an, als in dem britischen Softwarehaus kalkuliert wurde, wie viel ein brandneuer Titel namens Tomb Raider wohl einspielen würde. 100.000 – das war vor 25 Jahren weit mehr als es heute klingt! Echtes 3D steckte noch in den Kinderschuhen, die erste PlayStation war gerade mal zwei Jahre alt. Videospiele mussten sich und ihr Publikum erst finden. Und dann stürzten sich mehr als 7 Mio. Menschen auf das Abenteuer um Lara Croft, der dieser enorme Erfolg aber nicht nur Gutes brachte. Wir nehmen ihr kleines Jubiläum zum Anlass und blicken darauf zurück, wie sie und ihre Geschichten sich im Wandel der Zeit entwickelt haben.

Tomb Raider ist viel mehr eine Spieleserie. Immerhin brachte der Erfolg nicht nur drei hoch dotierte Hollywoodstreifen ans Licht; Lara turnte auch durch Musikvideos, zeigte sich als Comicheldin, machte sich also auch außerhalb der vor 20 Jahren noch recht exklusiven Videospielexpertise einen Namen. Darauf wollen wir im Rahmen dieses Rückblicks aber nicht eingehen – genauso wenig wie auf die Ableger und Umsetzungen, welche zum großen Teil ohnehin "nur" den Namen der Protagonistin führten. Dazu zählen sowohl das kooperativ spielbare Lara Croft and the Guardian of Light samt Nachfolger als auch Lara Croft Go, zwei Titel für Game Boy Color sowie die Umsetzungen einiger großer Teile auf PSP, Nintendo DS und anderen mobilen Plattformen. Mit Lara Croft: Relic Run gibt es sogar eine Kopie des erfolgreichen Handyspiels Temple Run, aber spätestens die weicht so stark vom Konzept der Hauptserie ab, dass sie an dieser Stelle nur genannt sein soll. Gut, das könnte man auch über The Angel of Darkness sagen... dazu später mehr.

Popkultur

So sah es aus, als Lara anno 1996 zum ersten Mal in der unterirdischen Stadt Vilcabamba ankam. Zwar gab es schräge Oberflächen, die Linien aller Grundrisse waren allerdings entlang eines Schachbrettmusters gezeichnet.


Auf dem Kopf der Sphinx

Fangen wir dort an, wo noch niemand den Namen Lara Croft außerhalb des britischen Studios Core Design je gehört hatte. Nachdem Serienvater Toby Gard hart dafür kämpfen musste eine damals noch seltene weibliche Hauptfigur ins Abenteuer zu schicken, erschien Tomb Raider im Oktober 1996 zunächst für Segas Saturn, bevor es im November schließlich auf PC und PlayStation veröffentlicht wurde – zu einer Zeit, in der das Erstellen komplexer dreidimensionaler Kulissen eine technische Herausforderung war. Doch Core Design behalf sich mit einem Kniff, der lange identitätsstiftend für die Serie sein sollte: Die Wände, Mauern und Türen aller Räume wurden nicht frei gezogen, sondern entlang der Linien eines Schachbrettmusters gesetzt.

Es entstanden jene markanten viereckigen Flächen, auf denen Lara rannte und kletterte und auf denen man immer präzise abschätzen konnte, wie weit der nächste Sprung sie tragen würde. Auch das Verschieben fraugroßer Würfel, um dahinterliegende Höhen zu erreichen oder Schalter auszulösen, drängte sich durch die technische Struktur geradezu auf. Und so hangelte sich die Heldin an Felskanten entlang, zog sich auf hohe Podeste und sprang noch im Rutschen von steilen Ebenen ab, um geheime Verstecke zu erreichen.

Auch schießen musste Lara zu ihrer Premiere schon, obwohl sie im gesamten Spiel nur eine Hand voll menschliche Gegner traf. Dafür hausten in den Höhlen von Peru, einem „Kolosseum“ in Griechenland oder einer ägyptischen Sphinx ausgesprochen angriffslustige Tiere und mythische Kreaturen, die gerne unvermittelt sowie mit plötzlich einsetzendem Tadaaaa! ins Bild sprangen.

Apropos: Tomb Raider verzichtete auf durchgehende Musik. Stattdessen lauschte man situationsunabhängigen, aber ausgesprochen stimmungsvollen Geräuschen, die den abgelegenen Schauplätzen erst ihren geheimnisvollen Reiz verliehen. Spätestens in der Zisterne entstand so eine ungemein dichte Atmosphäre. Die wundervolle Titelmelodie gehört nicht zuletzt zu den schönsten der Videospielgeschichte.

Kein Wunder daher, dass das Thema auch in den Nachfolgern verwendet wurde. Legte sich Lara zu ihrem Einstieg dabei mit einer gewissen Natla an, die in Atlantis eine Armee erschaffen wollte, war sie im zweiten Teil auf der Suche nach dem Dolch von Xian, dessen Besitzer sich in einen Drachen verwandeln könne. Aus Laras Dutt wurde ein langer Zopf, sie konnte sich mitten im Sprung noch um die eigene Achse drehen und auch ihre Fertigkeiten beim Klettern wurden erweitert. An vielen Schauplätzen begegneten ihr außerdem menschliche Widersacher – das hat man wohl davon, wenn man das Wrack eines gesunkenen Luxusschiffs erforscht oder im Schnellboot durch die Kanäle von Venedig rast.

Kennst du einen...

Jeden Herbst erschien nun eine Fortsetzung, weil Eidos nach dem gigantischen Erfolg des Originals nach weiteren Gewinnen lechzte. Große Veränderungen fanden deshalb nicht statt. Selbst die Technik macht abseits behutsam verbesserter Beleuchtung und Geometrie kaum Fortschritte. Teil drei rückte den Schwerpunkt immerhin zurück in Richtung des einsamen Erkundens und Teil vier spielte fast ausschließlich in Ägypten.

Zu diesem Zeitpunkt hatten allerdings sowohl Entwickler als auch Spieler längst genug: Schon nach dem zweiten Titel war ein großer Teil der ursprünglichen Mannschaft abgesprungen, weil man nicht im Jahresrhythmus malochen wollte, und auch das aktuelle Team hatte nach zwei Ausgaben die Nase voll. Toby Gard hatte Core Design aufgrund kreativer Differenzen ohnehin gleich nach dem ersten Spiel verlassen. Mit Chronicles gab es zwar noch einen fünften Teil, doch der bestand lediglich aus kurzen Episoden, die auf Laras Beerdigung erzählt wurden. Die erste Etappe ihrer Laufbahn war damit ganz klar abgeschlossen.

Gut... so ganz natürlich noch nicht. Immerhin bekam Core Design dann doch irgendwann den Auftrag einen echten „Next Generation“-Titel zu erschaffen. Schließlich hatte Sony inzwischen die PS2 veröffentlicht, 2001 erschien gar der erste Film – große Änderungen sollten her, um Tomb Raider das Flair eines modernen Abenteuerfilms zu verleihen. Die Entwickler bedienten sich daher Elementen der Stealth-Action, während das Klettern so vereinfacht wurde, dass sich Lara automatisch auf Plattformen hinaufzog, wenn man sie nur immer weiter in Richtung des Hindernisses schob.

Am Tiefpunkt

Tomb Raider: The Angel of Darkness sollte ein großer Schritt für die Serie sein - entpuppte sich aber sowohl für die Entwickler als auch die Fans als große Enttäuschung. Weder spielerisch noch erzählerisch konnte Teil sechs überzeugen.

The Angel of Darkness war eine Katastrophe, denn weder die träge Steuerung noch die Geschichte um das Erwecken eines uralten Bösewichts fühlten sich wie ein echtes Tomb Raider an. Und so wurde Core Design endlich von seinen Pflichten entbunden, um ein Studio namens Crystal Dynamics mit weiteren Fortsetzungen zu betrauen. Was sicherlich auch daran lag, dass sich die Entwickler von Soul Reaver bereits ganz gut im Bereich Action-Adventure auskannten.

Drei Spiele gingen aus dem nun folgenden Reboot hervor – Legend, Anniversary und Underworld –, in denen das bekannte Konzept zeitgemäß modernisierte wurde. Anstatt Rechtecke zu erklimmen, sprang, hangelte und kletterte Lara etwa durch plastische, zum Teil zerstörbare Kulissen. Sie nutzte einen Magnethaken, um sich auf einem Floß stehend übers Wasser zu ziehen, und war wieder häufiger in Höhlen abseits der Zivilisation unterwegs. Auf Gegner zielte sie aber noch immer automatisch, während man cineastische Gefahreneinlagen per Quick-Time-Reaction meistern musste. Die stellten nicht gerade der Glanzpunkt der Neuausrichtung dar und ganz allgemein fehlte Legend eine anständige Herausforderung, da sowohl das akrobatische Erkunden als auch das Schießen auf Dutzende gleiche Gegner stark automatisiert abliefen.

Kapitel zwei

Im Gegenzug brachte das neue Studio Toby Gard als Berater zurück, damit es trotz aller Neuerungen der Persönlichkeit seiner Heldin treu bleiben würde. Stärker als je zuvor spielten dabei ihre Vergangenheit und ganz besonders ihre Eltern eine Rolle, wenn Lara versucht herauszufinden, weshalb ihre Mutter einst verschwand – ein Handlungsstrang, der sich bis ins übernächste Abenteuer, also Underworld, ziehen würde, wo mit Natla gar eine alte Bekannte auftaucht und sich als Mörderin von Laras Vater zu erkennen gibt.

Bevor es dazu kam, nahm sich Crystal Dynamics allerdings Zeit für einen Rückblick der besonderen Art und veröffentlichte ein großartiges Remake des ersten Tomb Raider. Denn Anniversary war eine Neuauflage, die den Geist des ersten und für viele besten Teils mit moderner Technik und einer tollen Spielbarkeit vereinte. Das in Legends vorgestellte Konzept wurde dafür nur behutsam erweitert, sodass Lara u.a. mithilfe des Greifhakens an Wänden entlang lief, fing den Geist des Originals aber perfekt ein und ließ viele ikonische Schauplätze und Momente wiederaufleben.

Schöner altern

Und dann, bzw. nach Underworld, gönnte sich Frau Croft erst einmal fünf Jahre Pause. Sie tankte Kraft für ihren zweiten Reboot und ein Spiel, das schlicht Tomb Raider heißt. Crystal Dynamics hatte nämlich früh erkannt, dass nach der geplanten Trilogie erneut ein frischer Ansatz her müsste, und schon nach Legend damit begonnen diesen zu gestalten. Was dabei herauskam? Eine Mischung aus dem klassischen Erkunden sowie Shooter-Action der Marke Uncharted, einer modernen Erzählweise sowie einer ordentlichen Prise Survival-Hype.

Das moderne Finale

Das Remake gehört bis heute zu den besten Teilen der Serie und spielt sich auch nach aktuellen Maßstäben noch gut.

Die bekannten Geschichten wurden dabei über Bord geworfen: Das neue Abenteuer zeigte, wie Lara als junge Frau überhaupt dazu kam, Grabräuberin zu werden – auch wenn sie überraschend wenige Gräber oder ähnliche Stätten durchkämmte und viel zu schnell von einer zaghaften Gestrandeten zur forschen Killermaschine wurde.

Sie turnte weniger akrobatisch, wirkte physisch präsenter und löste physikbasierte Rätsel, indem sie etwa brennbare Gegenstände anzündete. An Lagerfeuern baute sie aus gesammelten Ressourcen bessere Ausrüstung, wertete mit Erfahrungspunkten ihre Fähigkeiten auf und brach anschließend in relativ weitläufige Areale auf, um mit neuen Werkzeugen zuvor unerreichbare Wege zu entdecken. Obwohl die Schießereien zudem in den Vordergrund rückten, konnte sie Gefechte sogar umgehen, während sich Bleihungrige in teambasierten Mehrspieler-Gefechten austoben durften. Dieses Tomb Raider war kein modernisiertes Spiel wie Legend. Es war ein von Grund auf neues Erlebnis, das mit vielen Traditionen brach. Und der bislang erfolgreichste Teil der Serie.

Den größten Erfolg feierte Lara mit ihrem erzählerisch ersten Ausflug auf die Insel Yamatai.


Die Reise geht weiter

Mit Rise of the Tomb Raider bzw. Shadow of the Tomb Raider folgten daher zwei Fortsetzungen, die das Prinzip nur behutsam veränderten. Das Erkunden alter Gräber gewann wieder an Bedeutung und Lara wandelte erneut in den Fußspuren ihres Vaters. Sie war zunächst in Syrien sowie Russland unterwegs, bevor es sie zuletzt nach Südamerika verschlug, wo sie ähnlich geschickt um Gegner herum schlich, wie man es aus der Stealth-Action kennt. Kein Wunder: Entstand Shadow doch bei Eidos Montreal, wo man ein paar der Erfahrungen einbringen konnte, die man mit Deus Ex und Thief gesammelt hatte.

Doch damit endete Laras Reise vorerst und es derzeit in den Sternen, wann der britische Superstar zurückkehrt. Zwar arbeitet Crystal Dynamics längst an einer Fortsetzung - um die wird es im Jahr des 25-jährigen Jubiläums aber laut offizieller Aussage noch ruhig bleiben. Immerhin: Das kommende Abenteuer soll die aktuelle Trilogie dann nicht nur inhaltlich, sondern auch spielerisch mit den früheren Abenteuern von Core Design verbinden. Ah, Venedig!

 
Kommentare
Poolparty93

Ich glaube, ich werde die komplette Reihe in absehbarer Zeit nochmal anpacken. Der Artikel hat mir richtig Lust darauf gemacht.
Gesagt, getan. Den ersten Teil hab ich nun durch.

In den letzten Jahren bin ich wohl deutlich anpassungsfähiger geworden. Die Steuerung war zwar ungewohnt und in den Kämpfen etwas hakelig, hat mir aber keine großen Probleme bereitet. Damals ist mir das Spiel jedenfalls deutlich schwerer gefallen.

Jetzt wird erstmal wieder was anderes gedaddelt und dann gehts weiter mit dem zweiten Teil. Ich freu mich drauf!

vor 3 Jahren
fanboyauf3uhr

Damals mit 20 in den Videospiel-Laden gelatscht: "Ich hätte gern eine Playstation". Dazu dann Resident Evil 1 und Tomb Raider 1 gekauft. Es war Freitag und das Wochenende lag vor mir. Im abgedunkelten Zimmer auf meinem Sitzsack gesessen und mich auf einen richtig coolen Trip begeben. Tomb Raider 1 war damals der absolute Hammer. Mann war das gut.

Auf der Rückseite der Spiele gab es damals oft eine Telefonnummer die man anrufen konnte wenn man nicht weiter wusste in einem Spiel - Internet war halt noch nicht so ... . War irre teuer. Aber einmal hab ich angerufen, da war dann eine nette Dame am anderen Ende, hat gefragt wo ich feststecke und mir dann gesagt welchen Hebel ich ziehen muss und wo der versteckt ist

vor 3 Jahren
4P|Benjamin

Gerade bei Mirror's Edge geht mir das sehr ähnlich und das ist auch ein Grund, weshalb ich Catalyst so mag. Dort spielt das Erkunden und Finden des richtigen Wegs nämlich eine sehr große Rolle. Für mich war ME aber ohnehin immer nur am Rande auch ein Rennen auf Zeit.

vor 3 Jahren
Veldrin

Die Young gibt mir das Gefühl was ich damals bei Mirror's Edge auch schon hatte. Ich habe mich gefühlt wie in meinem Kopf als Kind ich damals Tomb Raider empfand. Natürlich sind das First-Person-Spiele aber sie haben für mich die Essenz des Geistes von Tomb Raider eingefangen. Das sehe ich bei den neuen Teilen nicht, obwohl die sicherlich näher an den originalen dran sind als Mirror's Edge oder Die Young. Aber das was für mich faszinierend war fehlt in den neuen Teilen, wurde aber in ME und DY perfekt eingefangen und weiterentwickelt und die Egosicht ist eine logische Konsequenz gewesen, für mich zumindest. Wahrscheinlich bin ich auch nur nostalgisch verklärt.

vor 3 Jahren