Garou: Mark of the Wolves - Special, Prügeln & Kämpfen, 360, PlayStation2, XboxOne, Dreamcast, PlayStation4, Switch, NeoGeo, PC, PS_Vita

Garou: Mark of the Wolves
30.06.2021, Matthias Schmid

Special: Garou: Mark of the Wolves

Der mit dem Wolf kämpft

Kurz vor der Jahrtausendwende veröffentlicht SNK das beste Beat'em-Up seiner Firmengeschichte: Garou: Mark of the Wolves. Das Spiel ist mehr als Wiedergeburt und Höhepunkt der Fatal-Fury-Reihe - es gehört zu den stärksten Kampfspielen, die je programmiert wurden. Warum das so ist und auf welchen Systemen Garou heutzutage gezockt werden kann, das verraten wir in unserem PUR-Klassiker des Monats Juni.

Wir schreiben das Jahr 1999: Quake 3 Arena und System Shock 2 auf PC, Silent Hill und Medal of Honor auf der PlayStation, Donkey Kong 64 und Pokémon Snap auf N64, Shenmue und Crazy Taxi auf Dreamcast. Merkt ihr was? Die Spielewelt dieser Zeit ist beinahe komplett dreidimensional. Sechs Jahre nachdem Pioniere wie Doom oder Ridge Racer die Ära des räumlichen Spielens eingeläutet haben, ist die Zockergemeinde noch immer euphorisiert vom "Schneller, Höher, Weiter" des 3D-Grafikbooms. Die ersten Shooter ohne Story-Ballast laden zu blitzschnellen Ballerparties in dreidimensionalen Arenen ein, Sony-Konsoleros toben sich in den polygonalen Autoverfolgungsjagden von Driver aus, die Sega-Fraktion mit Import-Kontakten staunt über die unglaubliche Grafikpracht von Shenmue, der damals teuersten Videospielproduktion überhaupt. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen: Nur im Handheld-Bereich rund um den erfolgreichen GBA werden 2D-Spiele noch die erste Geige spielen, vom Retro-Revival-Trend, der heutzutage in den digitalen Stores Pixel noch und nöcher serviert, sind wir locker ein Jahrzehnt entfernt.

Alles 3D?

Terrys fetzig animierte Spezialattacke haut Kevin aus den Latschen.
Doch SNK, kurz für Shin Nihon Kikaku, ist 1999 noch nicht bereit, seine Pixel-Power-Maschine Neo-Geo fallen zu lassen. Zwar ist man sich auch in Osaka der Tatsache bewusst, dass die große Ära der 2D-Spiele bald vorüber ist, doch weil die hauseigene 3D-Offensive mit dem Hyper Neo-Geo 64 krachend gescheitert ist, werden 1999 die Kräfte auf wenige, dafür bewährte Projekte gebündelt. Die Metal-Slug-Abteilung schraubt an der technisch aufwändigsten, längsten und letztlich wohl auch besten Serienepisode (Teil 3) und die langlebige Fatal-Fury-Serie wird komplett auf links gedreht: Garou: Mark of the Wolves, der neunte (und bislang letzte) Teil wirft nicht nur den prominenten Namen über Bord, sondern tauscht bis auf Posterboy Terry Bogard den kompletten Charakter-Cast aus. Das ist nur eine der vielen Parallelen zu Street Fighter 3: New Generation, mit dem Capcom bereits zwei Jahre zuvor viele Serienfans überraschte. SNK stellt Bogard eine wilde Bande an coolen Neuzugängen zur Seite: Piratin B. Jenet bringt eine der schönsten Einlaufanimationen überhaupt mit, Gato und die beiden Kims entfachen ein Martial-Arts-Feuerwerk ohne Gleichen, Hokutomaru punktet mit blitzschnellen Ninja-Skills, Freeman erinnert an KoF-Legende Iori Iagami und Rock Howard, neben Bogard die Hauptfigur der Episode, kombiniert die Stärken seines leiblichen Vaters Geese und seines Lehrmeisters Terry.

Rock Howard vs. Tizoc: Selten bot die Fortsetzung einer langlebige Prügel-Serie derart viel spielstarke Neuzugänge.
Mit nur zwölf spielbaren Figuren plus den zwei von Beginn an freigeschalteten Bossen Kain und Grant (einfach in der Charakterauswahl am Rand weiterdrücken) wirkt Garou auf den ersten Blick etwas unterbesetzt - vor allem im Vergleich zur hauseigenen King-of-Fighters-Konkurrenz. Doch das Spiel macht die überschaubare Zahl an Spielfiguren auf vielfältige Art wett. Da ist zum einen die grafische Präsentation: Mit seinen mal pittoresken, mal belebten Hintergründen und den verschwenderischen Animationen gehört der 2D-Fighter damals wie heute zu den hübschesten seiner Art. Dazu gesellt sich eine überaus einsteigerfreundliche Bedienung: Garou steuert sich so elegant und behände wie kaum ein anderes Prügelspiel, Special Moves gehen wunderbar leicht von der Hand. Selbst mit Charge-Charakteren wie Boss Kain Heinlein kann ich hier Spezialattacken spielerisch aus dem Ärmel schütteln - ein Umstand, den ich sehr begrüße.

Wenig Umfang? Von wegen!

Gleichzeitig ist Garou aber auch ein unwahrscheinlich anspruchsvoller und komplexer 2D-Fighter: Mark of the Wolves wirft das serientypische Zwei-Ebenen-System von Fatal Fury über Bord und führt dafür prominent das T.O.P.-System ein. Die „Tactical Offensive Position“ erlaubt vor dem Kampf das Festlegen eines Bereichs der Lebensleiste, an dem man besonders stark ist. Dann stehen einem kurzzeitig eine besondere Spezialattacke, mehr Schaden bei Angriffen plus sogar eine Lebensenergie-Regeneration zur Verfügung. In den Heim-Versionen ist es gar möglich, den T.O.P.-Bereich noch zu verkleinern, um die möglichen Effekte zu verstärken. 

Garou bietet keine Air Blocks, dafür führt es ein Feature namens Just Defend ein - wer sehr knapp vor dem Treffen einer feindlichen Attacke blockt, erhält etwas Lebensenergie zurück und kann zudem einen Guard-Cancel ausführen. Das System ist ein wenig vergleichbar mit dem Parieren in Street Fighter 3 und bietet Profis viel Spielraum zum Verfeinern ihrer Techniken. Weiteren Feinheiten sind der kurze Back-Hop-Sprung, sogenannte Break Moves, Feints und eine Ground-Recovery per Rolle sowie die Tatsache, dass der Füllgrad der Superleiste am unteren Bildrand nun nicht mehr abnimmt und sogar übers Rundenende hinweg erhalten bleibt. Je nach Füllung stehen euch S-Power- oder P-Power-Moves zur Verfügung, die im Genrevergleich verhältnismäßig einfach auszuführen sind - werden sie nicht geblockt, erfreut man sich fetzig inszenierter Stakkato-Attacken mit druckvoller Sound-Untermalung, die in einem fulminanten Lichtblitz-Finale kulminieren.

Veteran Terry Bogard bekam für Garou eine optische Frischzellenkur spendiert - hier balgt er sich mit Kim Jae Hoon, dem Soon von Kim Kaphwan, vor schicker Stadtkulisse.
Glücklicherweise ist von den Hürden, die man um die Jahrtausendwende überwinden musste, um in den Genuss dieser Prügelperle zu kommen, nichts mehr übrig: Wer damals kein sündhaft teures Neo-Geo hatte (das Garou-Konsolenmodul kostet heute übrigens circa 1.000 Euro), musste in den ersten Jahren zu den Import-Fassungen für Dreamcast oder PlayStation 2 greifen - immerhin waren die spielerisch wie technisch nahezu perfekte Ports. Die Download-Version für Xbox 360 erlaubte erstmals Online-Matches für Europäer, davor waren die japanischen PS2-Zockern vorbehalten. Die sind auch in der tollen Version für PS4 aus dem Jahr 2016 oder der Steam-Version möglich (letztere kostet aktuell nur 4,99 Euro). Wer lieber ganz klassich mit Terry, Rock & Co. loslegt, kann auf fast allen Konsolen die ACA-NeoGeo-Version erwerben - Hamsters vortreffliche Emulationen macht auch mobil auf der Switch eine super Figur. Kurzum: Wer ein Herz für Versus-Prügelspiele im Allgemeinen oder 2D-Klopper im Speziellen hat, der kommt aus qualitativen Gründen nicht um SNKs bestes Kampfspiel herum - und auf heutigen System auch ganz leicht ran!

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Kommentare
TheLaughingMan

Schön wäre mal ein neues Game im AoF/FF Universum. Ich hänge da mit kindlicher Nostalgie dran.

vor 3 Jahren
eLZorro

Genau davon hätte ich gerne ein remastered.
Höhere Auflösung, mehr (flüssigere) Animationsframes, mehr Farben, besserer Sound.
Vielleicht noch ein paar Kämpfer:innen aus Fatal Fury und bäm: beschde Prügelaction
Edit: habs aber trotzdem bei Steam gekauft, 5 € dafür sind ein supertolles retro Schnäppchen

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren
godsinhisheaven

Ein feines Kampfspiel!!!

vor 3 Jahren
Atlan-

Ich hatte damals ein Neo Geo mit irgendeinem Fatal Fury Teil durch einen guten Tausch gegen eine andere Konsole bekommen. Ich hätte gerne mal wieder so ein rießen Modul in der Hand^^.

1999 war damals schon bei mir der Zug für Prügelspiele abgefahren...

vor 3 Jahren
JudgeMeByMyJumper

Vielen Dank, Matthias. Zuerst der tolle Test zum Prachtspiel Guilty Gear, jetzt dieser flashback. Habe die 360 Version damals geliebt. Mann, waren das Zeiten. Hab's gleich nochmal runtergeladen. Mal sehen wie es heutzutage in 4k ausschaut.

vor 3 Jahren