Fallout Serie - Special, Filme & Serien, Spielkultur

Fallout Serie
10.04.2024, Sören Wetterau

Special: Fallout Serie

Wie schlägt sich die postapokalyptische Welt als Serie?

Nach dem Ende des gigantischen Superhelden-Hypes hat Hollywood längst etwas Neues in Petto: Videospielverfilmungen. Zugegeben, allzu neu ist das nicht, denn schon in der Vergangenheit wollten Studios und Regisseure die mal mehr und mal weniger spannenden Geschichten eines anderen Mediums auf die große Leinwand bringen – mit meist überschaubarem qualitativen und finanziellem Erfolg. Mittlerweile hat sich das geändert: Mario und Sonic sind im Kino kein Fremdscham-Material und bei den Serien trumpften The Last of Us bei HBO, Arcane bei Netflix und Halo bei Paramount+ auf. Mit Fallout will nun auch Amazon ins oberste Regal greifen, inszeniert von Jonathan Nolan, dem Westworld-Erfinder und Bruder von Oscar-Preisträger Christopher Nolan. Wir konnten die erste Staffel bereits komplett sehen und verraten euch in unserer spoilerfreien Kritik, ob sich der mehrstündige Serienausflug lohnt.

Fallout Serie: Von Tim Cain bis Todd Howard

Fallout. Fallout bleibt nie gleich: Die Rollenspiel-Reihe hat in ihrer mittlerweile rund 27 Jahre alten Historie verschiedene Höhen und Tiefen erlebt. 1997 aus der Feder der Black Isle Studios als geistiger Nachfolger von Wasteland erdacht, wurde das Franchise zehn Jahre später aufgrund der drohenden Insolvenz von Publisher Interplay an die The Elder Scrolls-Entwickler von Bethesda Softworks verkauft. Statt 2D- gab es fortan 3D-Welten, und anstatt Vogelsperpektive durfte man das postapokalyptische Amerika aus der Third- und First-Person-Sicht erkunden. Unter der Schirmherrschaft von Game Director Todd Howard wurde Fallout populärer als jemals zuvor, musste aber auch den zwischenzeitlichen Tiefpunkt in Form des Online-Ausflugs Fallout 76 verkraften. Am Ende ein Imagekratzer, aber längst kein Weltuntergang.

Spielerisch ist die Reihe derweil ein Stück weit auf Eis gelegt: Nach dem Weltraum-Abenteuer Starfield widmet sich Bethesda der Entwicklung von The Elder Scrolls 6. Erst danach soll ein Fallout 5 folgen, dessen Veröffentlichung somit wohl eher nicht vor 2030 erfolgen wird. Zum Glück gibt es ein paar künftige Trostpflaster: Die Ende April erscheinende Modifikation Fallout London beispielsweise, die euch auf Basis von Fallout 4 in die britische Hauptstadt schickt und damit erstmals einen Blick außerhalb Amerikas gewährt, wenn auch natürlich inoffiziell.

Die andere Alternative? Amazon. Der US-Versandriese sicherte sich bereits vor Jahren die Zusammenarbeit mit Bethesda, um eine Serienumsetzung in Angriff zu nehmen. An vorderster Front? Das Westworld-Duo Jonathan Nolan und Lisa Joy, sowie die Showrunner Geneva Robertson-Dworet (Captain Marvel, Tomb Raider) und Graham Wagner (Silicon Valley, Portlandia). Erzählt wird in guter alter Franchise-Tradition eine ganz eigene Geschichte, die alte und neue Fans abholen soll, aber insbesondere Erstere an einigen Stellen überraschen dürfte.

Wenn die Endzeit direkt kickt

Wer sich im Vorfeld Sorgen darüber gemacht hat, ob Fallout als Serie die Atmosphäre der Spielvorlage einfangen kann, der kann unbesorgt sein: Von der ersten bis zur letzten Minute versprüht die Serie den Endzeit-Flair, den man sich als Fan erhofft. Egal ob Pip-Boy, Retro-Computer, die klaustrophobischen aber doch irgendwie charmant-modern wirkenden Vaults, die Kleidung oder die von den Atombomben verwüstete, teilweise in Schutt und Asche zerlegte und von der Natur zurückeroberte Welt an der Oberfläche – Fallout ist stets authentisch und manches Set sieht fast so aus, als könnte es direkt aus einem der Spiele stammen. Insbesondere die von Vault-Tech geprägte blau-gelbe Ästhetik rund um den Vault-Boy ist omnipräsent, aber wird einem trotzdem nicht ins Gesicht gedrückt nach dem Motto "Schau! Wir sind eine Fallout-Serie!", sondern wirkt auf natürliche Art und Weise eingebaut, ohne, dass es von den anwesenden Charakteren besonders kommentiert werden muss.

Überhaupt hält sich Fallout mit dem für einige Serien und Filme mittlerweile fast schon krankhaften "Exposition Dumping" sehr zurück. Neulinge werden nicht an die Hand genommen, was es mitunter etwas schwer machen kann, wenn man bislang gar keinen Kontakt zur Reihe hatte: Namen, Fraktionen und Jahreszahlen werden oftmals ganz beiläufig erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt. Wo manche Momente bei Fallout-Fans für leuchtende, mitunter vielleicht auch skeptische Augen sorgen, dürften unerfahrene Zuschauer manchmal nur mit einem Fragezeichen zurückbleiben.

Glücklicherweise sind die meisten solcher Randerwähnungen kaum relevant, um die Haupthandlung zu verstehen. Auch Neueinsteiger werden, sobald sie mit der ungewöhnlichen Welt warm geworden sind, die wichtigsten Eckpunkte verstehen können, wobei ihnen vermutlich die Tragweite hin und wieder entgeht. Immerhin, so spoilerfrei wie nur möglich meinerseits ausgedrückt, bringt die Fallout-Serie die eine oder andere Tatsache ins Licht, über die man in den Spielen bislang nur spekulieren konnte. Manches davon könnte sogar direkte Auswirkungen auf ein Fallout 5 haben, auch wenn es zu dessen geplanter Handlung natürlich noch keine Informationen gibt.

Das Spiel eingefangen

Eine Serie lebt, anders als es bei Spielen oftmals primär der Fall ist, in erster Linie von ihrer Handlung, von ihren Charakteren und den Dialogen. Fallout bildet hierbei keine Ausnahme, obwohl sich die Verfilmung einen wichtigen Punkt der Bethesda-Rollenspiele leiht: Die eigentliche Prämisse ist nicht der spannendste Faktor. Die lässt sich im Grunde sogar sehr einfach zusammenfassen: Lucy bricht eines Tages gezwungenermaßen aus ihrem Vault 33 auf, um sich auf die Suche nach ihrem Vater zu begeben – Fallout 3 lässt grüßen. Zugegeben: Es ist im Grunde die einzige Überschneidung, die beide Handlungen haben, denn abseits von dieser Gemeinsamkeit sind sie sehr verschieden.

Originell ist Fallout trotzdem erst einmal nicht, denn natürlich verläuft die Suche keineswegs nach Plan: Es gibt Rückschläge, Umwege müssen genommen und ungewohnte Freunschaften geschlossen werden. Zwischendurch gibt es noch ein bestimmtes Objekt, hinter dem alle irgendwie her sind, dessen Wert erst ganz zum Schluss so richtig greifbar wird, und einen riesigen Einfluss auf die Fallout-Zukunft haben könnte. Das eigentliche Ziel, das Finden von Lucys Vater, rückt in den Folgen immer mal wieder in den Hintergrund, wodurch Fallout viel von seiner Vorlage bestens einfängt. Auch in den Spielen von Bethesda ist der eigentliche Kern nie das Ausschlaggebende, sondern am Ende nur ein roter Faden, zu dem man jederzeit zurückkehren kann, während man die vielen faszinierendere Ecken der Spielwelt erkundet und abgefahrene Nebenstränge erlebt.

Die Serie bietet ein ähnliches Erlebnis, denn das Dreiergespann um Lucy, dem Ghul und Maximus, ein Mitglied der Brotherhood of Steel, erleben in dieser verstrahlten, heruntergekommenen Welt mehr als nur eine stumpfe Reise von A nach B. Dabei überzeugt vor allem Ella Purnell: Obwohl ihr Charakter Lucy im Vault 33 hervorragend ausgebildet wurde, muss sie an der Oberfläche feststellen, dass ihre hochmotivierte, intelligente Art nicht allzu viel Anklang findet. Freundlichkeit? Regeln? Gesetze? All das gibt es nicht und das bekommt sie mehr als nur einmal zu spüren, wodurch sie eine nachvollziehbare Entwicklung durchlebt. Auch Maximus-Darsteller Aaron Moten weiß zu begeistern, insbesondere im späteren Zusammenspiel mit Purnell, bleibt aber gefühlt ein wenig hinter seinen Möglichkeiten. In ihm entwickelt sich schon früh ein Zwiespalt darüber, ob die Ziele der stählernen Bruderschaft tatsächlich so ehrenhaft und positiv für die restliche Menschheit sind – leider kratzt man dabei in den acht Folgen nur an der Oberfläche.

Brilieren tut derweil Walton Goggins als Ghul, mit dem die Serie anfängt: Am Tag des Atombomben-Einschlags ist Goggins noch als Cooper Howard auf einem Kindergeburtstag zu sehen. Zu einem Vault schafft er es offenbar nicht mehr rechtzeitig, denn im Jahr 2297 ist er nur als noch mutierter und durchtriebener Kopfgeldjäger Ghul inklusive nicht mehr vorhandener Nase unterwegs, dessen eigentliches Motiv für seinen hartnäckigen Überlebenswillen in Form von Rückblenden verraten wird. Immer wieder gewährt die Serie dadurch kleine Einblicke in das Leben des einstigen Hollywood-Stars, welcher sich Stück für Stück bei Vault-Tech auf Wunsch seiner Frau einspannen lässt. Seine Motive sind am Ende die verständlichsten und greifbarsten, zudem viel mehr über die Erbauer der Atomschutzbunker verraten wird, als man hätte im Vorfeld ahnen können.

Wo sind denn die Monster?

Obwohl die Macher mit viel Liebe für das Original gearbeitet haben, gibt es eine Sache, die mir irgendwann ein wenig enttäuschend aufgefallen ist: Die Kämpfe. Es wird zwar relativ oft geschossen und geschlagen in Amazons neuer Vorzeigeserie, und die Gewaltdarstellung ist wie in den Spielen keineswegs zimperlich. Allerdings sind es überwiegend Gefechte gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen. Gegen klassische mutierte Monster kommt es nur zweimal zu einer richtigen Auseinandersetzung: Einmal gegen einen mutierten, völlig durchgedrehten Bären und gegen einen salamanderähnlichen Gulper.

Von Mirelurks, den Mole Rats oder Super Mutanten fehlt hingegen jede Spur. Lediglich die übergroßen Schaben tauchen öfters auf, sind aber meist nur Kulisse oder als kleiner Ekelfaktor am Rande dabei. Natürlich, mit den Kampf gegen einen Deathclaw habe ich schon im Vorfeld nicht gerechnet, aber zumindest die eine oder andere Konfrontation mit einem Mongrel oder den nervigen Blutfliegen hätte ich schon erwartet – vielleicht ja dann in einer zweiten Staffel, die bisher noch nicht offiziell angekündigt ist, aber bei Erfolg durchaus realistisch sein dürfte.

Unabhängig von den Kämpfen und vielleicht dem einen oder anderen etwas zu fast schon slapstick-haften Humor: Fallout hinterlässt als Serie einen wirklich guten Start, bei dem sich mit dem Ausgangsmaterial tatsächlich intensiv beschäftigt, sowie die vielfältige Lore und die triefende Satire der Ursprungsvorlage nicht auf die leichte Schulter genommen wurde – und sieht ganz nebenbei auch noch wirklich toll aus. Ganz das Niveau von einem The Last of Us erreicht man zwar noch nicht, aber Fallout-Fans und die, die es noch werden wollen, sollten ab dem 11. April 2024 der Serie definitiv eine Chance einräumen.

 
Kommentare
starhorst

Bin jetzt bei Folge 8 und sehr zufrieden. Viele schöne kleine Anspielungen auf die Spiele und mit Liebe umgesetzte Details. Vom gore level war ich etwas überrascht, bis mir eingefallen ist, dass man im Spiel ja auch alles an Extremitäten abschießen kann. Bisschen witzig, wie einer der Charaktere irgendwann genervt feststellt, dass er sich ständig von irgendwelchem Quatsch Sidetracken lässt, statt seiner Haupt Quest zu folgen. Hier hat das Studio echt was solides abgeliefert. Kein Plan wie es bei den Hardcore Fallout Nerds ankommt, aber ich finds klasse. Um Fallout gibts vermutlich aber keine so krasse religiöse Fanatiker, wie bei Star Wars oder Star Trek.

vor einem Monat
ray2077

Ich denke mal, ob es sich lohnt sollte jeder selber entscheiden.

vor einem Monat
ZackeZells

Die Serie wird für mich das Spiel nicht korrekt abbilden, ausser man sieht Menschen die vollbeladen Loot jeglicher Art ins "Hauptquartier" tragen - in jeder Szene
Die schleppen dann wie postapokalyptische Weihnachtsmänner in einem Jutesack, den sich über die Schulter geworfen haben, Ventilatoren, Toaster, Schreibmaschinen, Schraubenschlüssel, nukleares Material, Knochen und ähnliches mit sich durch die Gegend.
Exakt - Wir sollten einen Fallout Film zusammen drehen!

vor einem Monat
schockbock

Die Serie wird für mich das Spiel nicht korrekt abbilden, ausser man sieht Menschen die vollbeladen Loot jeglicher Art ins "Hauptquartier" tragen - in jeder Szene
Die schleppen dann wie postapokalyptische Weihnachtsmänner in einem Jutesack, den sich über die Schulter geworfen haben, Ventilatoren, Toaster, Schreibmaschinen, Schraubenschlüssel, nukleares Material, Knochen und ähnliches mit sich durch die Gegend.

vor einem Monat
Alandarkworld

Hab die ersten zwei Folgen geschaut - war vielversprechend! Klar, wenn man da jetzt ganz krass mit der Lupe hin geht und jedes Mini-Logik-Loch sucht dann wird man sicher fündig aber es ist sehr unterhaltsam, sichtlich mit Liebe zum Detail gemacht und es bietet den gleichen tiefschwarzen Humor wie die Spiele, wo einem das Lachen manchmal direkt im Hals stecken bleibt. Die Hauptdarstellerin finde ich bislang überragend!

vor einem Monat