Fluch der Schublade
Eine Kolumne von Bodo Naser, 18.02.2005

Schubladen sind eigentlich sehr praktisch. Man kann eine Menge Zeug reinstopfen, sie hinterlassen äußerlich betrachtet einen ordentlichen Eindruck und man findet die Sachen anschließend meistens auch noch wieder. Zumindest in der eigenen Kommode. Aber wie sieht es aus, wenn man in den Unterhosen und Socken des Nachbarn stöbern müsste? Fände man dann auch, was man sich erhoffte?

Man wird wahrscheinlich enttäuscht feststellen, dass der das ganz anders macht. Seltsam? Darüber hinaus ist man schnell versucht, einer fremden Ordnung jegliche Art von Zivilisation abzusprechen: Saustall! Und wieso macht das mit dem Einsortieren eigentlich nicht jeder gleich? Eine durchaus berechtigte Frage, gilt sie doch auch in unserem Metier. Nur dass die Schubladen hier eher im Kopf sind. Die buchhalterische Freude, mit der unsereins Spiele in Genreschubfächer stopft, wird nur noch von der Musikjournaille übertroffen, die inzwischen für so ziemlich jede Band ein eigenes Genre kreiert hat. 

Auch wir sind schnell bei der Hand, wenn es darum geht, Spiele in eine bestimmte Kategorie zu verfrachten. Die Intention ist im Grunde löblich, soll das doch weniger dem Wiederfinden dienen, als vielmehr der exakten Beschreibung. Man muss die Dinge schließlich bei ihrem Namen nennen, damit auch jeder weiß, was gemeint ist. Einheitliche Begriffe dienen der Klarheit, was Kommunikation erst ermöglicht. Da Computerspiele trotz vieler Bemühungen (noch) keine exakte Wissenschaft sind, lässt uns auch die Forschung im Stich. Ansonsten ist sie eigentlich für Spezialbegriffe zuständig. Wie lautet der also und ist er überhaupt sinnvoll?

Viele Wörter heucheln Exaktheit, erreichen aber genau das Gegenteil. Ein Beispiel: Massiv an dem Begriff "Massive Multiplayer Online Roleplaying Game" ist eigentlich nur das Maß an Verwirrung, das dieser selbst beim fachkundigen Leser hinterlässt. Steht "Massive" für die Menge an Geld, die Spieler dabei berappen müssen? Gibt es auch Massive Singleplayer Online Roleplaying Games? Für welche Partei steht die Abkürzung MMORPG? "Online-Rollenspiel" ist hingegen für die meisten verständlich und beschreibt, um was es geht: Rollenspielen im Internet. Dass das zu mehreren passiert, ist eigentlich klar, denn sonst könnte jeder gleich in seinem stillen Kämmerlein spielen.

Manch eine Worthülse ist auch schlicht überflüssig. Ist es noch ein Action-Adventure oder schon ein Actionspiel mit Abenteuerelementen? Der eine wird vielleicht anmerken, dass das eine mehr Rätsel und das andere mehr Aktion beinhaltet. Aber was bringt es, solch hauchdünne Unterscheidungen zu machen? Jemand der Action oder Abenteuer nicht mag, wird sie ohnehin nicht spielen. Ebenso unselig ist es allerdings, wenn wie im Angelsächsischen vielfach pauschal von "Action & Adventure" die Rede ist. Welches Spiel (bis auf Strategie) würde hier denn nicht passen?

Andererseits sollten Begriffe jedoch auf keinen Fall dazu führen, dass jemand ein bestimmtes Genre nur des Begriffes wegen zur Gänze ablehnt. Es soll doch tatsächlich Leute geben, die nur rundenbasierte Strategiespiele spielen. Dieser neumodische Echtzeit-Krimskrams kommt ihnen nicht ins Haus! Ja wo kommen wir denn da hin!? Dass viele RRTTSS heutzutage schon eine Pausenfunktion besitzen, die sie quasi in den rundenbasierten Adelsstand erhebt, scheint ihnen dabei leider völlig entgangen zu sein. Schade, was manchem da entgeht!

Fünf Genres braucht folglich der Spieler von heute: Actionspiel, Adventure, Strategiespiel, Rollenspiel und Simulation. Erfreulicherweise sind das die Bezeichnungen, die es schon zu den seligen Zeiten der ersten Computerspiele gab. Einige finden sogar ihre Entsprechung beim Brettspiel, von dem der breiten Masse der Zugang eher möglich ist. Die Aufzählung ist aber keinesfalls abschließend, sie soll nur dem Zurückstutzen aufs Notwendige dienen. So ist beispielsweise der Begriff "Shooter" viel griffiger als 3D-Actionspiel, denn selbst Neulinge wissen sofort, um was es geht. Damit ist der Differenzierung aber Genüge getan, denn wer kann schon einem interessierten Laien erklären, was der Unterschied zwischen einem Ego- und einem Taktik-Shooter ist?


Bodo Naser
4P|Redakteur