Kickstarter mit John Romero - aber der Motor springt nicht an
Ein Kommentar von Benjamin Schmädig, 27.04.2016

John Romero, Ladies and Gentlemen, John. Fucking. Romero! Der Mann hat einige der besten Shooter aller Zeiten entwickelt – nicht im Alleingang, freilich, aber etliche Levels und ein wichtiger Teil des Spieldesigns aus Doom und Quake gehen auf seine Kappe. Und genau dieser Romero will ein neues Spiel entwickeln!

In welche seiner Taschen darf ich mein Geld stopfen?

Logisch: Die Kohle geht in den Kickstarter-Sammeltopf. So macht man das heute. Das ist auch voll in Ordnung! Dass Interessierte ihre neuen Lieblingsspiele finanzieren, ist nicht nur en vogue – es gehört zum Besten, das dem Medium je passiert ist! Ich muss mich also nur noch für einen Betrag entscheiden u...

Moment mal!

Gerade läuft noch die Videovorstellung , in der Romero höchstselbst sein Projekt beschreibt. Wichtig sollen Präzision, Geschwindigkeit, Circle-Strafing und Rocket-Jumps (von mir aus) sein sowie das Erkunden von Levels, die der frühere Entwickler-Superstar durch die Bank weg selbst gestalten will. Cool! Als von vielen modernen Shootern Gelangweilter ist das Musik in meinen Ohren.

Aber wieso sehe ich nichts? Es gibt Artworks (so lala), viel Romero (klar), noch mehr Romero, der durch Irland läuft (äh...), und eine mäßig unterhaltsame Hommage an Doom 2 . Nur ein Spiel gibt es nicht. Keinen Prototypen, keine Alpha-Fassung, nicht einmal eine Tech-Demo – nada. Stattdessen eine Geschichte, deren Zusammenfassung an Hand-auf-Stirn-Klatschern kaum zu überbieten ist, vorgetragen von einer tiefbösen Dunkelstimme, die...

... das ist doch reine Ironie! Das kann unmöglich Romeros Ernst sein! Bitte sag' einer, dass der Levelmeister seinen Pitch Anfang April online gestellt und das bis vorgestern einfach niemand gemerkt hat! Wie will Romero mit dieser Attitüde denn bitte 700.000 Dollar zusammenbekommen?

Oder vielmehr: wofür eigentlich?

Für einen Shooter, der auf dem Papier irgendwie oldschool, in Wirklichkeit aber eine große Blase ist? Andere Entwickler bekommen gehörig auf die Mütze, wenn sie lediglich mit einer Kickstarter-Vorstellung voller Versprechen antanzen – und zwar völlig zurecht!

Würde ein einzelner mittelloser Enthusiast mit einer genialen Idee ankommen: Darüber kann man immer nachdenken. Alle anderen sollten allerdings – so lange sie nicht Tim Schafer heißen und gerade dabei sind, die Finanzierungsperspektive einer ganzen Branche zu revolutionieren –, etwas vorweisen, das darauf schließen lässt, dass sie das beschriebene Projekt auch stemmen können. Das gilt umso mehr, wenn ihr erster und einziger in Eigenregie erschaffener großer Shooter ein Rohrkrepierer bis dato ungekannten Ausmaßes war. Spätestens, wenn es um sechsstellige Beträge geht, muss für den Laien erkennbar sein, in was er sein Geld eigentlich investieren möge. Denn es sind doch fast alles Laien, die auf Kickstarter Projekte finanzieren.

Und hoffentlich nicht so blauäugig, dass sie auf eine dermaßen faule Anmache hereinfallen.

Natürlich darf John Romero sich und sein Spiel so präsentieren, wie ihm das passt! Unterm Strich ist mir das wumpe. Trotzdem empfinde ich seine Attitüde als Schlag ins Gesicht aller kleinen Entwickler und Independent-Teams, die sich den Allerwertesten aufreißen, um auf Kickstarter ein Spiel vorzustellen, das schon bei seiner Enthüllung als solches funktioniert. Die Monate investiert haben, um sich einen Traum zu erfüllen, dafür vielleicht finanzielle und berufliche Risiken in Kauf genommen haben. Bei denen man spürt: Die brauchen die Kohle, um ihr Projekt zu vollenden.

Mir ist einfach wichtig, dass ich die Leidenschaft erkenne, mit der ein Spiel entsteht. Da muss die Flamme erkennbar sein, die ein tolles Erlebnis entfachen könnte.

Romero hingegen? Der hat dem Video nach nur mal Bock auf oldschool. Konkrete Ideen? Fallen ihm bestimmt noch ein. Oder auch nicht. Anstatt uns mit einem durchdachten Konzept den Mund auf etwas Neues wässrig zu machen, hebt er jedenfalls hervor, wie gut er mal war – damals, als uns "sein" Doom und sein Quake verzauberten. Um die zwanzig Jahre (!) ist das her.

In einem weiteren Video glaubt Randy Pitchford immerhin, dass Romero uns "ganz sicher" "neue Dinge" zeigen wird. Romero spricht zwar ausschließlich davon das zu wiederholen, was er damals geschaffen hat, aber welche Rolle spielt ein glaubwürdiger Ausblick jetzt noch? Laut Pitchford wird er uns jedenfalls mit "aufregenden Dingen" begeistern, die den "Ego-Shooter einmal mehr verändern könnten - wenn wir Glück haben". Es zerreißt mich vor Spannung.

Doch Moment, dann zeigt das Kickstarter-Video ja doch noch Spielszenen! Klasse - die ganze Aufregung umsonst! Die Aufnahmen zeigen... Ausschnitte eines vor wenigen Monaten von Romero entworfenen Doom-Levels.

Ohne Zahl. Ohne "Bethesda-Reboot". Einfach Doom.

Und bei aller (gewaltigen!) Liebe für ihn und sein Vermächtnis: Falls all das sein Ernst ist, falls er mir mit all dem tatsächlich Lust auf ein neues Spiel machen will...

... dann ist das mal so richtig in die Hose gegangen!


Benjamin Schmädig

Redakteur