Luxus in der Krise
Ein Kommentar von Jörg Luibl, 21.03.2020

Als ich meinen Wehrdienst absolviert habe, lange ist es her, kam das Spielen fast zum Erliegen. Es war sogar kurz davor, aus meinem Leben zu verschwinden. Mein Amiga verstaubte, die alten Kumpel verloren sich und die vielen durchzockten Wochenenden verblassten mit all den schönen Erinnerungen an Highscores. Am Wochenende war Party angesagt, aber nicht mit Bits und Bytes, sondern mit Bier und Babes - zumindest auf Postern.

Das famose Spielejahr 1993 rauschte an mir vorbei. Spätestens beim ersten Alarm in der Kaserne, als wir mitten in der Nacht mit ABC-Schutzmaske durch einen Tunnel fliehen mussten und ein Kamerad vor mir keine Luft mehr bekam, fühlte sich alles verdammt ernst an. Wir mussten beruhigend auf ihn einreden, damit er den Weg nicht blockierte. Das war nur eine Übung, niemand verletzte sich und ich war nie in Gefahr.

Aber meine Perspektive änderte sich. Und existenzielle Fragen sorgten für Unruhe: Könnte es tatsächlich nochmal einen Krieg geben? Was sollte überhaupt aus mir werden? Soll ich Grafikdesigner werden, weil ich so gerne Comics zeichne? Oder Fantasyromane schreiben, weil ich schon dreimal Dungeons & Dragons geleitet habe? Wach auf, Junge, mach was Vernünftiges! Es gibt Wichtigeres im Leben als deinen Spaß oder Spiele! Erwachsen werden, Verantwortung übernehmen, malochen gehen - das war die Hauptquest.

Jetzt haben wir eine richtige Krise, in der es wirklich um Menschenleben geht und der Alltag drastisch verändert wird. Das ist keine Übung, sondern tatsächlich ein Ernstfall. Bei all der Tragik für all jene, die gerade Verwandte, ihren Job oder ihr Geschäft verlieren: Eine Epidemie ist kein Krieg. Niemand muss an eine Front, wir müssen nicht um unsere Kinder fürchten oder vor Bomben flüchten.

Im Gegenteil: In dieser Krise steckt ein großer Luxus. Man kann sich abseits von Arbeit, Schule & Co auf das Wesentliche besinnen - auf sich, seine Freunde oder Familie. Man darf ja nicht vergessen, dass für viele auch Home Office und Zeit für Spiele etwas Kostbares ist. Man muss nicht täglich ins Büro, nicht in die Klasse oder zur Prüfung, nicht in den elenden Stau oder die übervolle Bahn.

Man hat mehr Zeit zur Verfügung - auch für digitalen Spaß. Wir gehen immer von einer Gesellschaft aus, in der jeder spielt. Aber wer weiß, wie viele Großeltern, Väter und Mütter zum ersten Mal mit ihren Enkeln oder Kids gerade jetzt, weil die Gelegenheit da ist, viel mehr und anders zusammen spielen - egal ob übers Internet, an einem TV oder auf dem Tisch. Zum ersten Mal steht die ganze Welt quasi still für Press Start.

Dieses Spielejahr 2020 wird jedenfalls nicht einfach so an der Gesellschaft vorbei rauschen. Es wird auf seine Art als etwas Besonderes in Erinnerung bleiben. Ihr solltet das Beste daraus machen.


Jörg Luibl
Chefredakteur

Kommentare
CritsJumper

Das mit der Dunkelziffer ist das, was mich so wundert. Man kann doch einfach hingehen und mal wirklich genau messen - und zwar jeden. Wie gesagt: Es werden mittlerweile mehr als 100.000 Tests pro Tag gemacht. Das ist viel mehr, als man für eine demografische Mindestmenge bräuchte. Warum werden diese Kapazitäten nicht für eine dermaßen zentrale und wichtige Statistik benutzt?

Das hätte schon längst passieren müssen. Bisher hab ich noch keine Antwort darauf erkennen können, warum das noch nicht gemacht wurde.
Was für Tests meinst du? Diese Aufwendigen im Labor und dem Elektronenmikroskop, oder diese Schnelltest-Kits?

Aber dein Punkt ist schon richtig. Ich glaube es wurde ja sogar niedergeschrieben wie viele Test sie täglich machen und wie viele davon Positiv sind. Zumal da das RKI wohl vor kurzem auch bei einer Zahl 120.000 abziehen musste. Leider ging man da auf die Testweise nicht ein.

Bei den Antikörper-Tests gab es noch Ungenauigkeiten. So das man sich wohl nicht sicher war ob diese Antikörper nicht auch noch von einer anderen Erkältung stammen könnten.

Bei diversen Schnelltests aus dem Ausland ist die Quote wohl nicht so gut. In den USA hat die Behörde letztens beklagt das sehr viele Unternehmen weder zertifizierte noch geprüfte Test-Kits hatte die teilweise ungenau waren und nicht hinreichend funktionierten.

Bei den Rechenabstrichen kann man Fehler machen und das tut wohl auch ordentlich weh. Einen Test, bei jemandem der Keine Sympthome hat, das hat man lange Zeit wohl auch unterlassen weil das auch nicht gut half, denn im Grunde begibt an sich da in so ein Zeitfenster - wo der Patient sich beim Warten auf das Test-Ergebnis ja woanders hätte erneut anstecken können und in dem Zeitraum, wen er dann die Nachricht bekommt "Du bist Gesund." - Wahrscheinlich vom Verhalten her ein noch größeres Risiko darstellt für seine Mitmenschen.

Daher hadert man da mit dem Immunpass, der aus anderen Gründen schwierig ist. Und auch mit dieser App. Weil man bei der App dann zumindest einen Grund hätte mehr Menschen etwas Zielgenauer zu testen.

Das Problem ist wohl das die meisten Menschen keine Lust haben auf "verdacht" 14 oder mehr Tage in Quarantäne zu gehen. Diese ohne Symptome oder einen komplett stillen Verlauf, sind schon äußert ätzend. Weil man nur deswegen das Gefühl hat jederzeit krank sein zu können ohne Beleg.

So ein Test wäre halt gut, aber der sagt dir dann auch nur das du heute nicht Krank bist und man müsste den wohl auch öfter machen.

Ich bin mir aber sicher wenn man im Lockdown war, im Grunde keinen Kontakt hatte für zwei oder drei Wochen. Das die Wahrscheinlichkeit dann sehr klein ist das man beim Eintritt in den Lockdown krank wurde. Im Ungünstigsten Fall, gerade bei Familien hat es ein Mitglied nach dem anderen und somit ist auch jemand noch am Ende der 2 oder 3 Wochen Krank.

Es braucht einfach mehr Zeit. Eklig wird es wenn die normale Grippe kommt am Ende des Jahres, und man zum Arzt muss deswegen und nicht weiß ob man Corona hat.

Bei den Tests, gibt es zudem immer die Möglichkeit das es ein False-Positiv ist, daher muss man schon mehrere Tests machen um sicher zu sein.

Daniel Kehlmann hat gestern ein tolles Interview in der Süddeutschen gegeben. Da sprach er den Punkt an, das sich die Menschen immer wandeln und wie man vielleicht in 100 Jahren auf unsere Zeit zurückblicken könnte - so als Dystopie. Das die Menschen uns alle für total Schmutzig halten weil wir bei Rock am Ring so eng zusammen standen und wie wir überhaupt Dixie Klos nutzen könnten. Ist ja klar das man sich da jede Form von Krankheiten und Keimen holt In Anbetracht dessen nannte er ein Beispiel das man wohl zu Shakespeares Zeit (nach 1564), wohl bei Bühnenaufführungen einfach an Ort und Stelle, wo man stand seine Notdurft verrichtete und es keine Toiletten gab.

So sehr ich die Hoffnung pflege, das dieses Virus von alleine verschwindet, weil viele vielleicht schon krank waren und es nicht merkten (und letztlich Immun sind für eine gewisse Zeit, was den Virus natürlich in der Ausbreitung bremst.). So sehr hab ich Angst das eine neue Welle wieder anbrechen könnte und das sind gegenläufige Effekte. Wenn man denkt es ist vorbei, dann verhält man sich Unvorsichtig. Dann stecken sich wieder ein wenig mehr an... und andere bekommen mehr Angst und verhalten sich wieder vorsichtiger.

Der Punkt ist wohl das dies, auch in den ersten Prognosen so genannt wurde. Wenn der Virus beständig ist. Hält man es ein paar Wochen durch, aber Jahre..? Irgendwann ist man unvorsichtig und Zack. Dann hat man es.

Zum Teil ist das natürlich auch geplant, daher denke ich auch die Lockerungen. Aber die Lockerungen sind auch dazu da, das wir nicht verrückt werden und uns zu sehr verschulden. Bei vielen Punkte hoffe ich halt einfach darauf das die Menschen sorgsam sind und weiterhin Rücksicht nehmen - und sich über das sitzen im Cafe und Park mit Abstand freuen. So drückt es sich ja jetzt auch aus, wenn die Politik die Verantwortung an die Länder abgibt und diese quasi Wetteifern um die beste Strategie, wenn die Zahlen unterschiedlich ansteigen.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren
Usul

In dem von dir zitierten Beitrag zeige ich zwei parallel zueinander laufende Motive für die anhaltenden Maßnahmen auf und erkläre die erklärungsbedürftigere Variante nach bestem Wissen und Gewissen.
Und diese Erklärung impliziert eine entsprechende Absicht bei den Handelnden bzw. Entscheidern. Man könnte sogar so weit gehen zu sagen, daß keine gute Absicht dahintersteckt - was meines Erachtens alleine schon an der These zu erkennen ist, daß keine Beruhigung erwünscht sei.

Und dieser - wie gesagt implizite - Vorwurf hat mich zu meinem entsprechende Kommentar hinreißen lassen. Der, wie ich finde, auf einem ähnlich niedrigen Niveau daherkommt wie dein ursprünglicher Kommentar.

vor 4 Jahren
Easy Lee

Ich habe auf deinen Kommentar reagiert und versucht der sarkastischen Unterstellung mit Substanz zu begegnen, weil mir das Thema wichtig ist und hier schließlich auch mehrere Leute mitlesen.

In dem von dir zitierten Beitrag zeige ich zwei parallel zueinander laufende Motive für die anhaltenden Maßnahmen auf und erkläre die erklärungsbedürftigere Variante nach bestem Wissen und Gewissen.

vor 4 Jahren
Usul

Politische Übereinkünfte über die Landesgrenzen hinaus sind ein ganz normaler Prozess in einer globalisierten Welt. Für gewöhnlich wird Politik von Staatsleuten und Wirtschaftsentscheidern gemacht. Ein Teil davon ist transparent, andere Teile davon erschließen sich in Retrospektive.

Dass die Geschichte mindestens einen politischen Rattenschwanz hinter sich herzieht, sollte soweit auch klar sein. Dass diese Szenarien vorausgesehen und eingeübt wurden ebenso. Dass Menschen für ihre Sache Lobbyarbeit machen und auf den nächsten sich anbietenden Zug aufspringen ist ebenfalls zu erwarten. Das passiert auf den kleinen und großen Bühnen des Lebens.

Sprich: "Die" müssen nicht per se böse sein. Es reicht eine pro-aktive Mischung aus Opportunismus und Humanismus, die Bewegung in starre Prozesse bringt und Gewinner wie Verlierer produziert. Letztlich alles menschlich und mit dem Lauf der Dinge zu erklären.
Und was hat das alles mit deinem Kommentar "Weil eine Beruhigung nicht erwünscht ist. Je nach Blickwinkel wegen dem steigenden Risiko von Infektionen oder weil es den politischen Fahrplan stört." zu tun?

vor 4 Jahren
Easy Lee

Ja, die sind nämlich alle voll böse und wollen uns unterdrücken.
Falls du Lust auf einen ernst gemeinten Austausch hast:

Politische Übereinkünfte über die Landesgrenzen hinaus sind ein ganz normaler Prozess in einer globalisierten Welt. Für gewöhnlich wird Politik von Staatsleuten und Wirtschaftsentscheidern gemacht. Ein Teil davon ist transparent, andere Teile davon erschließen sich in Retrospektive.

Dass die Geschichte mindestens einen politischen Rattenschwanz hinter sich herzieht, sollte soweit auch klar sein. Dass diese Szenarien vorausgesehen und eingeübt wurden ebenso. Dass Menschen für ihre Sache Lobbyarbeit machen und auf den nächsten sich anbietenden Zug aufspringen ist ebenfalls zu erwarten. Das passiert auf den kleinen und großen Bühnen des Lebens.

Sprich: "Die" müssen nicht per se böse sein. Es reicht eine pro-aktive Mischung aus Opportunismus und Humanismus, die Bewegung in starre Prozesse bringt und Gewinner wie Verlierer produziert. Letztlich alles menschlich und mit dem Lauf der Dinge zu erklären.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren