Ein Fazit zur Games Convention
Ein Kommentar von Jörg Luibl, 27.08.2007

Eine Messe ist wie eine Frau. Sie hat viele Gesichter und wirkt auf jeden anders. Und man kann sie sich immer schöner denken als sie eigentlich ist. In einer sächsischen Radiosendung war die Games Convention jedenfalls schon die "wichtigste Spielemesse der Welt". Für den Tagesspiegel war es das "Paradies für Spielezocker", für die Welt am Sonntag sind Spiele jetzt "auf dem Weg zur Hochkultur" und für die Berliner Zeitung war es die "große Pixel-Party".

Für viele Besucher war sie "einfach nur geil", denn die Tüten quollen über vor buntem Merchandise. Für viele Standbetreiber war sie "der totale Stress". Für die BILD war sie die "lauteste Messe der Welt"; es wurde sogar nachgemessen. Und egal, in welches Blatt man blickte, sprachen alle davon, dass jetzt auf einmal alle spielen - Kinder, Eltern, Frauen, Ministerpräsidenten, Rentner. Hurra, eine ganze Welle an "Casual-Gamern" kommt auf Deutschland zu! Sorry, Letztere werden im Marketingjargon ekelhafter Weise "Silver-Gamer" genannt...

Aber für viele gestandene Redakteure der zockenden Fachpresse, besonders für jene, die schon auf dem E3 Media Festival in Santa Monica waren, war sie schlicht und ergreifend unspektakulär. Das lag aber nicht an der Messe, sondern ganz einfach an Sony. Wenn der Preis der PlayStation 3 am Mittwoch Abend gesenkt worden wäre, hätte auch die Games Convention ihre kleine, von allen herbeigesehnte Sensation vorzeigen können - ihre Image-Aktien wären international gestiegen. Warum Sony sich diese eigentlich überfällige Gleichbehandlung Europas gespart hat, bleibt auch in Leipzig für viele ein Rätsel: Hatte die Preissenkung der PSP nicht zu einer Verkaufssteigerung von 40% geführt?

Nicht, dass diese hervorragend organisierte Veranstaltung mit ihren eleganten Hallen, interessanten Ausstellungen zur Spielkultur und dem Rock im Freien insgesamt an Reiz verloren hätte - ganz und gar nicht! Immerhin ist das immer noch die größte Spielemesse Europas, auch wenn die Zahlen nicht ganz so pompös ausfielen wie gedacht. Statt der prognostizierten 200.000 kamen nur knapp 180.000 Besucher - am Sonntag war es fast schon leer. Aber am Samstag ging die Post ab: Besucher konnten kommende Top-Titel wie StarCraft II oder Pro Evolution Soccer 2008 spielen. Und es gab zig interessante Neuankündigungen wie z.B. unser Messe-Highlight Viking: Battle For Asgard. Auch Prototype, Mafia 2 oder Empire: Total War wurden hier erstmals gezeigt. Und obwohl Größen wie Peter Molyneux oder Richard Garriott kurzfristig abgesagt hatten, gab es einige höchst prominente Besucher wie Bruce Shelley oder Hideo Kojima. Überhaupt waren erfreulich viele japanische Studios zu Gast.

Trotzdem fehlten wirklich hochkarätige Premieren - Killzone 2 war zwar erstmals für die Presse spielbar, aber wurde schon auf der E3 gezeigt. Auch zu Mass Effect, dem hochkarätigen Aufmacher unseres 4Players-Magazins, gab es nichts Neues. Sony, EA, Ubisoft, Take 2 & Co hatten richtig viel zum Anzocken parat. Richtig ärgerlich für Wii-Fans war die bescheidene Auswahl an Spielbarem: Weder Super Mario Galaxy noch Metroid Prime 3 konnte man als normaler Besucher zocken; Nintendo zelebrierte an seinem Stand lieber Gehirnjogging, Wii Sports und Wii Fitness. Trotzdem können sich Remote-Fans entspannen: Konami bringt PES für Wii, Rayman: Raving Rabbids 2 rockt das Haus und Zack & Wiki hat sich als Geheimtipp entpuppt.

Aber insgesamt fehlten die großen Überraschungen. Obwohl, es gab dann am letzten Messetag doch noch eine für uns - nicht bei EA, nicht bei Microsoft, sondern im Bereich GC Family. Wir konnten ein paar Meter hinter den Ständen von USK, BPjM, Leipziger Jugendamt und Kinderschutzbund an einem französischen Retro-Konsolenstand tatsächlich ganz böse Spiele wie Mortal Kombat, Commando oder Green Beret zocken. Indextitel in Sichtweite der geballten Jugendschutz-Kompetenz? Das war herrlich komische Realsatire...

Gab es Gewinner und Verlierer? Nein. Crysis treibt als Grafikmonster noch mal den PC an, das ist schön, Microsoft hat den Preis der Xbox 360 gesenkt, das ist noch schöner, Sony hat neue Erweiterungen für die PSP angekündigt, das ist auch schön, und Nintendo suhlt sich ebenso schön im wirtschaftlichen Erfolg. Unterm Strich hat diese Messe viel Bekanntes bestätigt, aber wenig Beeindruckendes aufgefahren. Im Nachhinein war die von vielen gescholtene neue E3 das wichtigere Ereignis. 

Aber das ist der enge Blickwinkel der Presse, die berufsbedingt nach grandiosen Neuheiten lechzt. Wen interessiert das, wenn man in Leipzig zum ersten Mal StarCraft II, Halo 3, Rock Band, Heavenly Sword oder Pro Evolution Soccer 2008 zocken konnte? Und wen interessiert das, wenn sich Spiele hierzulande auch durch diese Games Convention immer stärker in unserer Gegenwartskultur etablieren?

Ich freue mich auf nächstes Jahr!

Jörg Luibl
Chefredakteur