Und es hat Rumms gemacht
Ein Kommentar von Julian Dasgupta, 04.12.2007

Auch wenn einem die Presseabteilungen mancher Publisher öfters gar sonderliche Sachen zumuten - allzu oft kommt es nicht vor, dass man sich leicht verwundert die Augen reibt angesichts der Dinge, die man irgendwann in der Inbox vorfindet. So geschehen am vergangenen Sonntag (!), als Vivendi und Activision sich bequemten, die Öffentlichkeit über ihre Zukunftspläne zu informieren. Die Mitteilung war quasi ofenfrisch, und noch hatte niemand anderes darüber berichtet - da fragte man sich schon einmal, ob sich irgendein Spaßvogel in Activisions Verteiler reingehackt hatte.

Die Nachricht um den angehenden Marktführer - die Fusion muss erst noch von den Aktionären abgesegnet werden und wird auch erst 2008 vollzogen werden - sorgt für gehörigen Wirbel in der Branche. Glaubte man noch, die Übernahme von BioWare/Pandemic wäre der Deal des Jahres, so stehen plötzlich Activision und Vivendi Games im Rampenlicht.

Auf dem Papier macht der Zusammenschluss durchaus Sinn, das haben die Beteiligten durchaus auch oft genug betont. Activision ist vor allem im Konsolenbereich gut positioniert und konnte besonders in Nordamerika in diesem Jahr zu Electronic Arts aufschließen. Vivendi hingegen ist in Europa besser aufgestellt, dank Blizzards Produkten ist man auch im PC-Bereich sowie dem asiatischen Markt vertreten.

Allerdings sollten die beiden Unternehmen aufpassen, dass der vermeintlichen Traumhochzeit nicht das böse Erwachen oder später das verflixte 7. Jahr folgt. In der Theorie schienen schon viele Zusammenschlüsse zunächst sinnvoll - bei der Mehrheit der Fusionen bleibt der in Aussicht gestellte Zuwachs allerdings oft unter den Erwartungen, in manchen Fällen wird gar wieder die Scheidung eingereicht, wie man jüngst bei Daimler Chrysler sehen konnte. Oftmals trübt die Aussicht auf Synergieeffekte den Blick der involvierten Personen auf mögliche Probleme wie beispielsweise schlecht vereinbare Unternehmenskulturen.

Naturgemäß profitieren auch nicht alle von einem derartigen Zusammenschluss. Es wäre schon sehr verwunderlich, wenn der neue Publisher sich nicht erstmal Personal im Distributions- und Marketingbereich abbauen wird, auch wenn man derzeit etwas blumig verspricht , dass das kommende Unternehmen allen Angestellten Wachstumspotenzial bieten wird.

Entgegen aller von einigen PC-Spielern gezeichneter Untergangsszenarien braucht man sich wohl zumindest mittelfristig nicht allzu viele Sorgen um Blizzard machen. Die derzeitige Arbeitsweise und Struktur des Unternehmens sowie die Integration in das Mutterunternehmen scheint sich nicht wesentlich von der früheren Situation zu unterscheiden.
Man sollte auch bedenken: Letztendlich wird Vivendi, der bisherige Eigner des Studios, auch weiterhin das Sagen haben bei Activision Blizzard. Dort wird zwar Activisions derzeitiger Geschäftsführer Robert Kotick die Geschicke leiten, auch die Finanzabteilung wird in die Hände des derzeitigen CFOs des kalifornischen Publishers, Thomas Tippl, gegeben - Vivendi stellt aber sechs der elf Mitglieder des Aufsichtsrats und besitzt zudem 52 Prozent des Unternehmens. Der Anteil könnte gar auf bis zu 68 Prozent wachsen in Abhängigkeit davon, wie viele Aktionäre Activisions auf das Übernahmeangebot des französischen Mediengiganten eingehen.

Interessanter dürfte wohl die Frage sein, was beispielsweise mit Sierra Entertainment passieren wird. Laut Mike Morhaime müsse noch darüber diskutiert werden, wie das Label weitergeführt wird. In den offiziellen Dokumenten heißt es immerhin, dass man den 'Turnaround', also die Wende, mit der in der Vergangenheit unprofitablen Sparte schaffen will. Dort gab man sich bisher, anders als bei Activision, durchaus risikofreudig - ob sich Sierra zukünftig Produktionen wie Brütal Legend leisten wird, einen Titel, dem manche schon jetzt die Massenmarkttauglichkeit absprechen, bleibt abzuwarten. Es wäre schade für die Spielelandschaft.

Hektische Umtriebigkeit könnte nun auch bei der Konkurrenz ausbrechen, bei denen so mancher Manager plötzlich Angst davor hat, nicht rechtzeitig auf den Zug aufzuspringen. Nachdem Firmen wie BioWare/Pandemic oder Bizarre geschluckt wurden, ist das Angebot an größeren, noch unabhängigen Studios mit durchweg guter Reputation geschrumpft, siehe Valve oder Epic. Wer jetzt noch Käufe tätigen will, die schnelles Wachstum versprechen, darf wohl etwas tiefer in den Geldbeutel greifen, wie das bei Torschlusspanik so üblich ist. Oder sich an den üblichen Verdächtigen wie Take-Two versuchen. Deren Aufsichtsratschef schwört Stein und Bein, dass man sich nicht für ein Übernahmeangebot zu positionieren gedenkt - die Halbwertzeit solcher Aussagen in der Branche ist allerdings gering.

So einige Augen dürften derzeit auf Electronic Arts gerichtet sein. Der Publisher könnte sich plötzlich wieder in der Verfolgerposition befinden, wovon die Spieler letztendlich profitieren könnten, denn Riccitiello & Co. stehen nun vor der Wahl: Setzt man auf das natürliche Wachstum der bisherigen Firma und möchte die Konkurrenz, die umsatzmäßig durchaus noch in Reichweite ist, mittelfristig überholen? Oder greift man nochmals tief in die Tasche und versucht sich beispielsweise Ubisoft einzuverleiben? Immerhin besitzt man schon 20 Prozent der Anteile am französischen Publisher, auch hat man in der Vergangenheit keinen Hehl aus diesbezüglichen Ambitionen gemacht. Auch andere Übernahmen oder Fusionen würde kaum jemand zum jetzigen Zeitpunkt komplett ausschließen wollen.

Mit anderen Worten: Es bleibt spannend.

Julian Dasgupta
Redakteur