Boom Blox: Spielberg vor die Säue?
Ein Kommentar von Jörg Luibl, 07.02.2008

Endlich ist es raus. Endlich hat Electronic Arts das Geheimnis um eines der Spieleprojekte von und mit Steven Spielberg gelüftet. Seit der Ankündigung im Oktober 2005 rätselte man über das, was der erfolgreichste Regisseur aller Zeiten wohl entwickeln könnte. Schließlich stehen da Namen wie Jurassic Park, Minority Report, Poltergeist und Goonies in einer vor Kreativität strotzenden Vita.

Also raus damit: Was macht der Mann, der den telefonierenden Außerirdischen erfunden und den Weißen Hai so fürchterlich gemacht hat? Los, was es ist es? Ein buntes Klötzchenspiel! Ein was? Ein buntes Klötzchenspiel. Es heißt Boom Blox. So eine Art Jenga in bunter 3D-Welt mit explodierenden Teilen. Aber für die ganze Familie. Für Wii natürlich. Übrigens auch für Mobiltelefone. Es kommt schon im Mai.

Boom Blox? Ist das jetzt kreatives Understatement oder kluge Markt- & Zielgruppenforschung? Egal, was es ist. Egal, ob es letztlich als Puzzler gut ist: Es ist angesichts der Konstellation dahinter eine Enttäuschung! Nichts gegen Tetris - bester Purzler ev0r. Und Jenga macht am Tisch richtig Laune, schließlich zittert man sich hier bis zum letzten Gefälle.

Aber Boom Blox und Spielberg verhalten sich zueinander wie ein Ford Fiesta zu Schumacher, wie ein Technotrack zu Beethoven. Das fühlt sich an wie Spielberg vor die Säue werfen. Und wenn wir mit Spielberg & EA schon Blöcke stapeln, was würden wir dann mit Uwe Boll erleben, wenn er einen Exklusivdeal mit Frogster Interactice ankündigt? Dental Doctor? Survival Sox?

Horror beiseite: Vor zweieinhalb Jahren war das für viele der "dickste Deal" des Jahres, der nicht nur die Analysten, sondern vor allem die Fantasie vieler Zocker anregen konnte. Und vielleicht ist er es auch. Für Spielberg. Oder EA. Aber vielleicht hätte man damals auch genauer hinhören müssen. Vielleicht wollte Spielberg gar nicht das, was wir erwarten. Was sagte er noch 2005:

Da ich gesehen habe, wie die Spieleindustrie vom Nischenmarkt zu einer bestimmenden kreativen Kraft im Entertainmentsektor gewachsen ist, habe ich großen Respekt vor EAs Verständnis im Bereich der interaktiven Unterhaltung.

Was Spielberg wohl mit dem Verständnis meinte? Die Quantität oder die Qualität? Aus Spielersicht ist ein physiklastiges Puzzlespiel aus der Produktion des Leinwandmeisters nicht nur unspektakulär. Das riecht einfach auch so stark nach einem prominenten, sicheren und kostengünstigen Ticket ins profitable Land der Käschuälgayms.

Wo ist da die Vision? Wo ist der Mut? Spielberg arbeitet ja exklusiv für eine Firma, die gerade mehr Qualität in den hauseigenen Spielen angemahnt hat. Das ist lobenswert, für die Bilanz auf lange Sicht aber ohnehin lebenswichtig. Und das ist theoretisch eine mächtige Symbiose: Kreativität hier, Electronic Arts da. Diese Branche braucht ja die Kraft von Kreativköpfen, wenn sich das Medium Spiel weiter entwickeln soll - aber sie braucht nicht noch mehr Spiele für mich, für dich, für alle und keinen.

Diese Branche braucht markante große Spiele, die Impulse geben! Von einem Mann wie Spielberg habe ich mehr erwartet als ein Casual Game, das nach dem ersten Trailer zu schließen auch gut von einem Independent Studio entwickelt werden könnte - nur würde es dann niemanden interessieren und im besten Fall in der Auswahl des 10. Independent Games Festival stehen. Übrigens: Da sind einige Spiele unabhängiger Entwickler dabei, die Boom Blox das Wasser reichen können...

Aber, wer weiß: Vielleicht ist das auch ein ungerechtes, viel zu frühes Urteil. Wir meckern ja immer so gerne. Vielleicht will der Regisseur, Produzent und Drehbuchautor ja erst mal kleine Brötchen im neuen Medium backen? Vielleicht war das nur eine erste Fingerübung? Immerhin läuft der Vertrag mit EA für drei Spiele. Nach "Boom Blox" könnten ja noch "Bee Bomber" und "Cookie Cracker" kommen. Für die ganze Familie. Für Wii. Und für Mobiltelefone.

Was Tarantino wohl machen würde...


Jörg Luibl
Chefredakteur