Atari kontra Pressefreiheit
Ein Kommentar von Jörg Luibl, 19.06.2008

Atari versucht wirklich alles, um unsere Berichterstattung zu verdunkeln: Erst ignorieren sie unsere Anfragen in der Frühphase zu Alone in the Dark, dann stornieren sie bereits gebuchte Werbekampagnen nach unserer Vorschau, dann bemustern sie uns trotz Anfrage nicht mit der Testversion und jetzt holen sie auch noch den juristischen Hammer raus und wollen uns mit einem Streitwert von 50.000 Euro Angst machen. Was kommt als nächstes? Knallfrösche im 4P-Büro zünden? Ehefrauen von Redakteuren mit Fußbällen bewerfen?

Es wird immer lächerlicher. Dass Publisher gerne in die Pressefreiheit eingreifen, hat JoWooD anno 2006 im Gothic 3-Fall ja bereits auf peinliche Art und Weise demonstriert: Wir sollten nach einem Drohanruf unseren Bericht offline stellen, die PC PowerPlay sollte gleich per einstweiliger Verfügung vom Kiosk verschwinden. Beide Magazine haben sich gewehrt und damit die Kultur der Kritik in der deutschen Presselandschaft gefestigt.

Update, 21. Juni 2008:

Atari um "Deeskalation" bemüht? Am Samstag kommentierte Atari die Vorgänge erstmals gegenüber DerWesten.de . Auch dazu haben wir umgehend Stellung bezogen.

Update, 22. Juni 2008:

Chefredakteur Jörg Luibl in einem Interview mit DerWesten.de und einem Interview (mp3) mit Radio Fritz über die Vorgänge.

Update, 24. Juni 2008:

Nach der Wiener Zeitung , Heise  und anderen berichtet auch
Der Spiegel über den Streitfall.

Update, 24. Juni 2008:

Der Streit wurde beigelegt: Atari zieht alle Anschudligungen gegen 4Players.de zurück und sieht von rechtlichen Schritten ab.

Update, 25. Juni 2008:

Die Süddeutsche Zeitung berichtet über den Fall und das Ergebnis.
Dass Hersteller manchmal die Nerven verlieren, wenn offen über die schlechten Seiten ihrer Spiele berichtet wird, beweist jetzt Atari. Und sie setzen mit ihren fadenscheinigen Anschuldigungen der Lächerlichkeit noch die Krone auf. Aber der Reihe nach: Gestern Nachmittag haben wir den Test zu Alone in the Dark veröffentlicht. Das Spiel hat mit 68% Prozent abgeschnitten und damit eine befriedigende Wertung bekommen . Gestern Abend hat uns dann ein Fax von Ataris Anwalt erreicht, das wir euch in Auszügen nicht vorenthalten wollen. Wenn Deutschland heute Abend gegen Portugal nichts zu lachen haben sollte, dann gebt euch das hier:

"Mit diesem "Test" verstoßen Sie gegen geltendes Recht und verletzen die Rechte unserer Mandantin [Atari]."

Hallo? Sind wir in China? Oder im Iran? An dieser Stelle musste ich als Journalist auch deshalb würgen, weil Atari mit seinen schlampigen Tonaufnahmen dreist gegen die Rechte der deutschen Zuhörer verstößt - dürfen die jetzt Schadenersatz einklagen, weil man die Kosten für professionelle Sprecher scheut und ein Spiel mit amateurhafter Vertonung zum Vollpreis anbietet?

Jetzt kommt der Kern der lächerlichen Anschuldigung:

"Der sog. "Test" ist kein solcher. Das entsprechende Spiel erscheint erst am 20. Juni 2008. Ihr "Test" muss also auf der von unserer Mandantin nur zu Zwecken der Vorberichterstattung zur Verfügung gestellten Vorabversion beruhen."

Bestimmen jetzt Publisher und Anwälte, was ein Test ist? Dass einige Printmagazine  ebenfalls nicht die Verkaufsversion für einen Test genutzt haben können, da ihre Artikel bereits viel früher als unser lesbar waren, scheint Atari nicht zu stören. Es ist nämlich oftmals gang und gäbe, dass die gedruckten Tests aufgrund der Termine schon mal auf diesen nicht ganz finalen Fassungen beruhen - Gothic 3 lässt grüßen.

Blöd ist nur, dass wir den Test aufgrund der Verkaufsversion gemacht haben. Atari denkt in überraschender Unkenntnis der Vertriebswege, dass wir die offiziellen Verkaufsversionen ja gar nicht haben können - denn die hat uns Atari ja vorsichtshalber, trotz Nachfrage, gar nicht erst geschickt. Allerdings sind wir solche Methoden nach all den Jahren gewöhnt und haben uns die Versionen für Wii, PS2, Xbox 360 und PC bereits am Montag bei einem Händler unseres Vertrauens besorgt, der nahezu alle Spiele einige Tage früher auf Lager hat.

Stattdessen mutmaßt Atari einfach mal ins Blaue hinein, wie wir es trotzdem geschafft haben könnten und kriminalisiert uns gleich ein wenig:

"Einzig denkbare Erklärung wäre, dass Ihr "Test" auf einer illegal downgeloadeten Version basiert."

Das strotzt nicht nur vor Naivität, das ist eine Frechheit. Und es geht noch weiter:

"Gleichzeitig missachten Sie die Standards, die für Warentests gelten. Warentests müssen nämlich objektive und sachkundige Untersuchungen zugrunde liegen."

Sachkundig ist wahrscheinlich alles, was mehr als 80% gibt? Und objektiv beginnt dann ab 85%? Nur mal für den Anwalt, der diesen hanebüchenen Schrieb aufgesetzt hat: Wir testen keine Staubsauger, keine Mikrowellen und auch keinen Grill - wir testen Spiele. Die gehören für uns als Magazin genau so wenig in den Bereich "Warentest" wie Kritiken zu Büchern oder Filmen. Aber es wird noch abstruser:

"Durch die vorstehenden Verletzungen verschaffen Sie sich zudem einen unlauteren Vorsprung gegenüber anderen, lauter arbeitenden Spielemagazinen. Der sog. "Test" wurde offenbar gezielt (...) geschrieben, um den ersten Test in Deutschland veröffentlichen zu können und so durch die vermeintliche Exklusivität (...) besonders hohe Leserzahlen und (...) Einnahmen generieren zu können."

Hier mussten wirklich alle herzhaft lachen. Unser Chef, unsere Marketingabteilung, unser Hausmeister und selbst unsere Haustiere. Sind die Herren von Atari blind für gedruckte Magazine, die schon längst vor uns gewertet haben? Und sind sich die Herren von Atari darüber im Klaren, dass man mit Klicks auf einen Test keinen blöden Cent verdient? Ist uns auch vollkommen egal: Wir wollen nicht deshalb vor Release mit unseren Berichten online sein, damit wir mehr verdienen, sondern damit unsere Leser rechtzeitig über die Qualität informiert werden.

Fassen wir zusammen: Wir sollen also bis heute 14 Uhr den Test offline stellen, die Bilder löschen und eine "strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung" abgeben, die aufgrund der "Erheblichkeit der (...) begangenen Verletzungshandlungen" keine Fristverlängerung zulässt.

Hallo Atari? Ihr könnt uns mal.


Jörg Luibl
Chefredakteur

PS: Atari hat bereits nach unserer Alone in the Dark-Vorschau mit dem Ausblick "befriedigend" die gebuchte Werbekampagne storniert. Das ist ihr gutes Recht, aber dass es auch anders und zwar professioneller geht, beweisen andere Publisher, die unsere Tests auch dann akzeptieren, wenn sie schlecht ausfallen - darunter auch Ubisoft: Trotz unserer 66% für Haze lief die Werbung weiter.

PPS: Nicht nur wir wurden mit diesen abstrusen Vorwürfen angegangen. Mittlerweile berichten auch zwei norwegische Magazine von ähnlichen Attacken seitens Atari - mehr dazu in den News. Auch eine niederländische Seite wurde laut Shacknews bedrängt , den Test zu entfernen.