Die Doomasturbation
Eine Kolumne von Jörg Luibl, 28.07.2004

Am 6. August 2000 wurde eine News auf 4Players veröffentlicht:

"Doom 3 in zwei Wochen?"

Die Überschrift lädt heute zum Schmunzeln ein. Aber das Phänomen Doom 3 sagt viel über die Psyche der Spieler aus: Zocken ist Religion . Zocken ist Sex. Mit fast schon religiöser Ergriffenheit wird da ein Shooter herbeigesehnt, der seinen Jüngern nicht nur göttlichen Spaß, sondern eine wilde Grafikorgie verspricht, ein Pixelparadies mit Lustgarantie.

Knapp 100 News und vier Jahre später steht er fast in den Läden. Aber eben nur fast. Man kann ihn noch nicht greifen, ist auf Hörensagen und Fremdtests angewiesen. Der lechzende Blick schweift weit bis nach Amerika und Australien. Doom 3 steht kurz bevor, ist im wahrsten Sinne des Wortes im Kommen. Wir befinden uns im Zustand höchster Erregung - egal ob Handel, Presse oder Fans. Alle sehnen die Erlösung ihrer Qualen, den Re-lease und vor allem die Awards inbrünstig herbei.

Müsste ein Karikaturist den Zustand der Fans in Blei skizzieren, würde nichts besser passen als eine Schreibtisch-Szene hektischer Masturbation: Hose runter, Kopf knallrot, Augen weit aufgerissen, Sabber im Mundwinkel, gierig auf den Monitor starrend, in einer Hand den PC Games-Artikel, in der anderen...

Die Frequenz der Nachrichten steigt, die Infogeilheit nimmt zu, man frisst vor dem Kaufhöhepunkt noch mal alles in sich hinein, was man kriegen kann. Sieben Kommentarseiten mit über 11.000 Aufrufen meldet unser Forum zu einer News! Reicht die eigene Hardware aus? Ist das Teil so gut, wie es prophezeit wurde? Aber nicht nur der Zocker, sondern die gesamte Branche schwitzt und stöhnt wie ein rolliger Moschusochse kurz vor der vollendeten Nachwuchssicherung.

Dabei heißt "Doom" übersetzt "Verhängnis", "Schicksal", "Untergang" - dem Ragnarök der Wikinger nah verwandt. Aber nach dem letzten Kampf der nordischen Götter wurde bekanntlich ein neue, strahlende Welt geboren. Der Vergleich mag weit hergeholt sein, aber auch Doom 3 scheint für viele ein altes Zeitalter abzulösen und ein neues einzuleiten - jedenfalls grafisch.

Auch für Dell, ATI, nVidia & Co bedeutet Doom vor allem Aufbruch, Konjunktur, Gewinn. Für einen echten Fan rechtfertigen diese 20 Stunden Horrorballerei gleich 2000 Euro für neue Hardware. Für Spieler duftet dieser Titel einfach nach paradiesischer Optik, nach ultimativer Befriedigung und düsterer Shooter-Mystik.

Sind da Hype, Hysterie und Übertreibung im Spiel? Na klar. Aber genau diese überzogene Faszination regt den Appetit an und belebt die mit viel halbgarem Durchschnitt gesättigte Branche. Deshalb füttern wir euch täglich, bis der blutige Heilsbringer endlich über eure Monitore flimmert. Damit die Hände endlich wieder locker mit Tastatur und Maus spielen...

Bis zur nächsten Doom-News!

Jörg Luibl
4P|Textchef