Warum Vita?
Ein Kommentar von Benjamin Schmädig, 02.12.2011

Vita - der Name tönt wie eine alberne Kreuzung aus Gesundjoghurt und Wellness-Matratze. Ehrlich, Sony... Und was steckt dahinter? Ein halbes Handy (ohne Telefonfunktion) und eine halbe Konsole (ohne Fernseher). Wo Nintendo also mit 3D ohne Nasenbrücke protzt, setzt Sony auf das Zwischen-allen-Stühlen-Gefühl. Braucht kein Mensch!

Könnte man meinen.

Meine ich aber nicht. Denn ich freue mich wie ein Schnitzel auf den Handheld. Warum? Weil ich das Ding schon mehrmals in der Hand hatte und weil es sich jedes Mal so angefühlt hat, als sei genau das die Zukunft des mobilen Spielens! Natürlich, ja: Wenn man das Lexikon der technischen Vita-Innereien aufschlägt - Touchscreen, zweiter Touchscreen, Kamera, zweite Kamera, Gyrosensor, dazu Beschleunigungssensor, Doppelanalogstick, WiFi und 3G -, dann schwebt dem geistigen Auge ein ungemein überflüssiges Sammelsurium komplett unbrauchbarer Spielereien vor. Muss man etwa mit der Vita in der Hand rennen, um die per GPS errechnete Wegstrecke auch in Killzone zurückzulegen? In der Vergangenheit brauchte es eine Weile, bis die Entwickler begriffen, dass ein Shooter-Spieler nicht wie auf der Rabbids-Party hüpfen will...

Genau das ist es aber: Inzwischen wissen sie es. Denn das FIFA-Toreschießen über den Touchscreen auf der Rückseite lässt sich ebenso abschalten wie die Sixaxis-Lenkung in WipEout. In Uncharted entscheidet man sich beim Zielen für Bewegungssteuerung oder Analogstick und auch in Katamari tippt man entweder direkt auf den Bildschirm oder lenkt die Kugel ganz herkömmlich.

Die Generation Smarthpone will Sony mit kleinen, günstigen Spielen ebenfalls ins Boot holen - wir bekommen also beides. Für mich zählt aber: Ich kann diesen ganzen Handy-Touchscreen-Krampf mit seinen verzögerten Eingaben auf die Ersatzbank schieben. Weil die Grafik beinahe so gestochen scharf aussieht wie ein PS3-Spiel. Und weil die Spiele mit zwei Analogsticks so gut in der Hand liegen wie ein Gamepad. So, und nur so will ich als Zocker unterwegs spielen!

Der Witz ist ja: Dann gewinnen auf einmal sogar diese sinnlosen kleinen Spielereien an Reiz. Ich find's drollig, meinen Everybody's Golfer per Touchscreen in der Luft zappeln zu lassen - so lange ich mit den guten Tasten abschlagen darf. Und ist doch klasse, mit den Fingern durchs WipEout-Menü zu navigieren - wenn auf der Strecke nur Digikreuz oder Analogstick zählen. Hier fühle ich mich nicht unterwegs schnell abgefrühstückt. Hier bin ich Zuhause. Die Vita kann alles - von Touchscreen-Casual bis Hardcore-Survival. Keine Kompromisse. Selbst Metal Gear wird’s geben, sogar BioShock. Sie vereint Gadget-Freude mit Technik-Leidenschaft.

Auch Nintendo hatte mich vor einem guten Jahr an dieser Leidenschaft gepackt, mir einen 3DS in die Hand gedrückt... ich war wie weggeblasen. 3D ohne Brille - ein phänomenaler Effekt! Später stellte sich dann heraus, dass man den 3D-Effekt lieber abschaltet, falls man ein stabiles Bild bevorzugt. Später wurde auch klar, dass ein einzelner Analogstick heutzutage selbst auf einem Handheld zu wenig ist. Später hat man gemerkt, dass die sonstige Technik keinen aus den Socken haut. Und zu allem Überfluss stellte man außerdem fest, dass selbst das Spieleaufgebot zum Großteil aus Recyclingmaterial besteht. Sony verzichtet hingegen auf überflüssigen Schnörkel wie die dritte Dimension und macht die elementaren Bestandteile stark. Und auf Vita sind die Spiele schon zum Start vielversprechender als die des 3DS. Ich ärgere mich über Kosten wie die teuren Speicherkarten. In Anbetracht des Ergebnisses nehme ich sie aber in Kauf.

Ich weiß, dass man auf dieser Lobhudelei wie auf schmierigem Urschleim ausrutscht. Sorry. Sie spricht mir aber aus dem Herzen. Nicht zuletzt war Sonys PSP viele Jahre mein treuer Begleiter - obwohl ich einer der Ersten war, die sie für tot erklärten. Damals steckte die Technik gerade in den besten Jahren - als ihr die meisten Entwickler längst den Rücken gekehrt hatten. Wie komme ich also auf die Idee, dass diesmal alles besser wird? Zum einen, weil Sony aus vielen Fehlern gelernt haben will. Zum anderen, weil die wenigen PSP-Spiele auch später noch verdammt gut waren. Man denke an Resistance, Metal Gear oder God of War. Und wenn ich die gleiche Qualität schon jetzt in Vita-Spielen erkenne, dann lasse ich mich eben gerne hypen.

Bitte, was? Ich sei voreingenommen? Ja, natürlich bin ich voreingenommen! Wer immer einen Batzen Technik-Spielkram in einen knappen Kunststoff/Metall-Aufzug steckt, hat meine ungeteilte Aufmerksamkeit! Wer ein WipEout dazu packt, umso mehr. Hinterher kann man ja immer noch meckern. Erst mal sehen, wie sich die Vita und ihre Spiele diesmal so entwickeln...

Eins steht für mich allerdings fest: Ich will diese Entwicklung vom ersten Tag an live in meinen Händen erleben. Darum Vita!


Benjamin Schmädig,
Redakteur