Comeback der Ergonomie
Ein Kommentar von Jan Wöbbeking, 15.02.2012

Endlich ist Schluss mit unhandlichen Schminkkästchen. Beim Design von DS Lite, PSP, iPad & Co standen noch modische Kanten im Mittelpunkt, doch nach rund zehn Jahren Lifestyle-Chic rückt die Ergonomie wieder stärker in den Fokus. Nach einer Woche mit der Vita fällt vor allem eines auf: Das große Gehäuse und seine abgerundeten Ecken liegen richtig entspannt in der Hand. Auch Nintendo macht mit bei der Renaissance der Ergonomie und beweist mit dem Circle Pad-Aufsatz Mut zur Hässlichkeit. So albern das seitlich aus dem 3DS wuchernde Plastikgeschwür auch aussieht: Mittlerweile gehe ich nicht mehr ohne aus dem Haus.

Es ist fast wie bei Segas altem Game Gear, denn endlich haben die Hände wieder etwas zum Zugreifen: Eine abgerundete Gehäuseform, welche sich gut an die Vertiefungen der Hand anschmiegt. Keine verspannten Finger, kein krampfhaft angewinkelter Daumen wie beim Analogknubbel der PSP. Bei einem derartigen Komfortgewinn nehme ich auch gerne Einschnitte bei der Mobilität in Kauf. Natürlich passen die beiden Brocken nicht ohne weiteres in die Hosentasche. Da ich meist mit Rucksack oder Umhängetasche unterwegs bin, ist das aber zumindest in meinem Alltag kein Problem.

Auch ein zweiter Dualstick macht mobiles Zocken deutlich entspannter. Als ich neulich ein paar Stunden mit 3DS und Resi im Zug unterwegs war, fühlte ich mich durch das vertraute Steuerungs-Schema fast wie auf meinem Sofa. Obwohl das Spiel keine perfekte Steuerung besitzt, hatte ich sie nach ein paar Minuten verinnerlicht. In solch einem Moment ist es wie beim Fahrradfahren: Ich denke nicht weiter über jede Bewegung nach, sondern das Unterbewusstsein übernimmt die Kontrolle. Gedanklich bin ich nicht mehr die Person, welche vorm Handheld hockt, sondern laufe selbst durch die dunklen Gänge des verlassenen Schiffs.

Bei Apple-Hardware ist das anders: Dort sorgt die reine Touchscreen-Bedienung stets für eine Barriere: Auf der einen Seite der Schirms läuft das Spiel, auf der anderen sitze ich. Ich sehe meine Finger tippen, höre neben mir ein Kind quängeln und registriere auch viel eher, wie wenig Platz mir mein Sitznachbar in der Bahn lässt. Die Grafik mag noch so realistisch, die Spielidee noch so innovativ sein – ich bleibe immer außen vor und auch Störfaktoren fallen intensiver auf. Bei DS und PSP gibt es keine derart präsente Barriere. Doch mangels zweitem Stick flutscht die Steuerung auch dort nicht immer problemlos – was mich gerade bei 3D-Titeln immer wieder aus dem Spiel gerissen hat.

Bleibt zu hoffen, dass Nintendo seine ersten 3DS-Revision ähnlich rundlich gestaltet wie das Circle Pad Pro – und ihm endlich den überfälligen entspiegelten Bildschirm verpasst. Letzterer würde auch der Vita nicht schaden, denn bei gutem Wetter kann man auf beiden Handhelds herzlich wenig erkennen. Davon abgesehen befinden sich Sony und Nintendo aber auf einem guten Weg. Noch vor ein paar Jahren hätte ich nicht gedacht, dass sich jemand in Zeiten eckiger Statussymbole wieder zu einem derart handfreundlichen Hardware-Design durchringt.


Jan Wöbbeking