Kotick & Co. über Activision Blizzard

Activision
03.12.2007 06:43, Julian Dasgupta

Kotick & Co. über Activision Blizzard

Bei der anstehenden Fusion Activisions und der Spielesparte Vivendis dürfte es sich zweifelsohne um den bedeutendsten Deal in der jüngeren Geschichte der Branche handeln. Das neue Unternehmen dürfte auf einen Schlag den langjährigen Marktführer Electronic Arts ablösen und stellt letztendlich den konsequentesten Schritt in der Wachstumsstrategie des in Santa Monica verorteten Publishers dar.

N'Gai Croal plauderte u.a. mit Robert Kotick, dem aktuellen Geschäftsführer Activisions und designiertem Geschäftsführer Activision Blizzards, Jean-Bernard Levy, CEO Vivendi, Blizzard-Boss Mike Morhaime sowie René Pernisson (Vivendi Games) und Thomas Tippl (Activision). Kotick zufolge habe man sich vor knapp einem Jahr erstmals untereinander über eine mögliche Zusammenarbeit unterhalten. In den ersten konkreten Gesprächen, die im Januar geführt wurden, sei relativ schnell klar geworden, dass die Chemie zwischen den Parteien stimmte und es reichlich Synergieeffekte geben würde.

Activision sei einer der führenden Hersteller im Konsolenbereich in den USA, Levy, man selbst sei dank Blizzard & Co. im PC- und Onlinemarkt besonders gut aufgestellt, auch seien die World of Warcraft-Macher so ziemlich die einzige westliche Firma, die auch im asiatischen Markt sehr erfolgreich sei. So erhofft sich Activision Blizzard über jenen Zweig einen besseren Zugang zu China, Südkorea und anderen Ländern. Beiden Firmen sei zudem das Streben nach Qualität gemeinsam, ergänzt Kotick.

Wird Blizzards Position in der nun größeren Studiofamilie nicht eher geschwächt? Ganz im Gegenteil, meint Mike Morhaime - betrachte man den Medienkonzern Vivendi als Ganzes, so sei man doch dort eher ein kleiner Fisch gewesen. Vielen Aktionären wäre nicht klar gewesen, wieviel Blizzard eigentlich zum Unternehmen beisteuere. Innerhalb des neuen Publishers habe man ein größeres Gewicht und sei sichtbarer. Das Studio werde weiterhin so eigenständig und unabhängig bleiben, wie dies bereits innerhalb von Vivendi Games der Fall war.

Auf Electronic Arts angesprochen merkt Kotick an, dass Activision Blizzard mehr Umsatz und deutlich bessere Gewinnmargen habe. Letztendlich sei Konkurrenz aber gut für die Branche und die Spieler. Davon würde die Qualität der eigenen Titel, aber auch die der Mitstreiter profitieren.

Auch Gamespot unterhielt sich mit Mike Morhaime, der klarstellt, dass die Fusion in keinem Zusammenhang mit der Übernahme BioWare/Pandemics durch EA stehe. Activision und Vivendi hätten schon über das Vorhaben gesprochen, lange bevor man über das Vorhaben des Konkurrenten Bescheid gewusst hätte. Auch betont er nochmals, dass der Zusammenschluss keinesfalls eine Übernahme Activisions durch Vivendi ist.

Die Zusammenführung der beiden Unternehmen war schon seit Anfang des Jahres in der Vorbereitung, bei diversen Details scheint es allerdings noch Klärungsbedarf zu geben. So sei wohl noch nicht entschieden, was genau mit Labels wie Sierra Entertainment passieren wird. Eines sei allerdings sicher: Die Marken Activision und Blizzard werden weiterhin bestehen. So werde das Logo der eigenen Firma nicht plötzlich auf der Packung von Spielen wie Guitar Hero auftauchen, und Spiele wie World of Warcraft würden weiterhin als Titel von Blizzard Entertainment gekennzeichnet werden.

Im Rahmen einer Emailkonversation spekuliert N'Gai Croal und sein Kollege Geoff Keighley über die Aussichten des angehenden Marktführers. Die Fusion sei überraschend, allerdings sei es auch kein Geheimnis gewesen, dass sich Robert Kotick schon früher mit Mediengiganten wie der Rupert Murdoch gehörenden News Corp. über eine mögliche Zusammenarbeit unterhalten habe, um den bisherigen Marktführer, EA, anzugreifen.

Potenzial für Synergien gebe es beispielsweise im Bereich Musik, da Vivendi auch eine Musiksparte (Universal Music Group) besitzt. Es sei reichlich vielsagend, dass UMG-Chef Doug Morris nun im Aufsichtsrat Activisions sitze. Davon dürfte vor allem die Guitar Hero-Reihe profitieren, so Keighley, der sich fragt, wie lange es noch dauert, bis die UMG Electronic Arts und MTV die Zusammenarbeit für Rock Band aufkündigt.

Eine der interessanten Fragen, die man sich stellen müsse, sei die nach den Ambitionen im Sportsegment - weder Activision noch Vivendi Games besitzen eine wirklich etablierte Marke in diesem Bereich. So mutmaßt Keighley, dass Activision Blizzard vielleicht die Übernahme von 2K Sports oder gar des Mutterunternehmens, Take-Two, ins Auge fassen könnte.

Vivendi Games sei abgesehen von Blizzard insgesamt risikofreudiger, was die Entwicklung neuer Marken angeht - siehe Prototype oder Brütal Legend. Activision hingegen sei eher vertraut damit, auf bekannte Marken und Lizenzen wie Spider-Man zu setzen. So wundert sich Croal, ob denn das eine oder andere Projekt von Vivendi Games die Fusion der beiden Unternehmen nicht überleben wird. Es sei auffällig, dass Kotick die ganze Zeit fast nur über Blizzard geredet habe, aber kaum mit einem Wort auf andere Studios oder Produktionen eingegangen sei.

Es werde interessant sein zu sehen, wie Electronic Arts reagieren wird. So könne man sich vorstellen, dass der Publisher den bisherigen Kurs fortsetzen wird - es sei allerdings auch möglich, dass Riccitiello & Co. Take-Two oder Ubisoft auf die "Einkaufsliste" setzen. Immerhin hält man bereits 20 Prozent der Anteil am französischen Publisher. EA gelte zwar immer als der große böse Marktführer, sei in der jüngeren Vergangenheit mehr durch Innovation aufgefallen als Activision. So sei Skate besser als Tony Hawk, Rock Band besser als Guitar Hero III. Auch habe man neue Dinge auf Wii und DS ausprobiert, heißt es mit Verweis auf Spiele wie Boogie, MySims und EA Playground - das könne man nicht von Activision behaupten.

Am meisten dürfte sich EA wohl darüber ärgern, dass es mit Blizzard ein potenzielles Übernahmeziel weniger gibt. Angesichts der bisherigen eigenen Erfolglosigkeit im MMO-Segment sei es kaum vorstellbar, dass man beim Publisher nicht über Möglichkeiten nachgedacht habe, sich das erfolgreiche Studio einzuverleiben.

Vielleicht, so Croal, hat EA John Riccitiello zu spät wieder an Bord geholt. So sei es unverständlich, wie sich der Publisher RedOctane und Harmonix durch die Lappen gehen lassen konnte. Auch habe man vor Jahren gezögert, als Vivendis Spielesparte zum Verkauf stand - vor der Veröffentlichung von World of Warcraft. Es seien die Deals, die nicht gemacht wurden, die einem Unternehmen irgendwann auf die Füße fallen könnten.

Croal mutmaßt weiter, dass Radical Entertainment (Prototype, Hulk) vielleicht Marken wie Spider-Man oder True Crime wieder auf die Sprünge helfen könnte. Ebenfalls sei es vorstellbar, dass die von Infinity Ward für Call of Duty 4 entwickelte Engine in einigen Vivendi-Produktionen zum Einsatz kommen wird, schließlich hat man mit dem Shooter bereits gezeigt, dass man eine solide Technologie besitzt, um einen Multiplattformtitel zu entwickeln.