gc-Eindruck: Gran Turismo 5

Gran Turismo 5
20.08.2010 23:14, Michael Krosta

gc-Eindruck: Gran Turismo 5

Auf der E3 machte sich aufgrund des schwachen Schadensmodells, des reduzierten Fahrerfeldes und fragwürdigen KI noch eine leichte Ernüchterung beim Anspielen von Gran Turismo 5 (ab 22,25€ bei vorbestellen) breit. Für den Auftritt auf der gamescom war Sony zumindest bei der Einladung zur Probefahrt im Anschluss an die Pressekonferenz cleverer: Im Gegensatz zur Demo-Version in den Messehallen, die etwa dem E3-Code entsprechen dürfte, hatte man das Schadensmodell erst gar nicht aktiviert. Gleichzeitig wurde aber auch das nervige Zeitlimit aufgehoben, so dass man hier in aller Ruhe die Strecken begutachten und komplette Rennen absolvieren konnte.

Was schon nach dem ersten Ausflug mit GT5 klar wurde, bestätigt sich auch hier: Das Fahrverhalten der Boliden ist genauso traumhaft wie die extrem aufwändige Modellierung der lizenzierten (Premium-)Modelle. Man merkt an jeder Kante, jeder Rundung und jedem noch so kleinen Teil von der Glühbirne im Scheinwerfer bis hin zum Knopf im Armaturenbrett, dass Serienvater Kazunori Yamauchi zumindest in diesem Bereich extrem viel Wert auf Details legt. Doch auch bei der Fahrphysik hat man mächtig zugelegt: Unter der Standardeinstellung fahren sich die überwiegend sportlichen Wagen noch wie man es von den Vorgängern kennt - durchaus anspruchsvoll, aber dennoch gutmütig. Schaltet man dagegen auf die Profi-Fahrphysik um, fühlt man sich eher wie bei einer PC-Simulation, denn wer die feine Dosierung von Gas und Bremse nicht beherrscht oder noch auf die Standardphysik eingestellt ist, findet sich sehr schnell neben der Strecke wieder. Dabei erweist sich der Weg zurück auf den Asphalt als etwas schwierig. Ich konnte die Erfahrung im wahren Leben zwar noch nicht machen, aber es wirkt mit einer Sportbereifung etwas ungewöhnlich, selbst mit minimalem Gasgeben so gut wie keine Bodenhaftung zu bekommen.

Bei den Rallye-Kursen steht das Rutschen und Driften ohnehin auf der Tagesordnung. Hier wird GT5 auf jeden Fall einen großen Vorteil gegenüber der Forza-Konkurrenz ausspielen können, da die Microsoft-Simulation keine Offroad-Erfahrungen über schroffe Geländepisten bietet. Da das WRC-Spiel von Milestone bisher nur einen durchschnittlichen Eindruck hinterlassen hat und die Colin McRae-Serie mittlerweile mehr in Richtung Funsport tendiert, könnte GT5 auch ein Hoffnungsschimmer für alle Rallye-Fans sein, die endlich wieder unter Simulationsbedingungen durch die Pampa rasen wollen. Die klassische Rallye mit Zeitfahren scheint es aber nicht zu geben - stattdessen stehen wie schon bei GT4 lediglich Zweier-Duelle auf dem Programm. Im Gegensatz zum PS2-Vorgänger bekommt man hier allerdings auch einen herrlichen Tag-/Nachtwechsel geboten. Der feine, aufgewirbelte Staub trägt ebenfalls seinen Teil zur Offroad-Atmosphäre bei und erweist sich dabei als echtes Problem, wenn man dicht hinter dem Führenden hängt und ihm quasi in Blindflug folgt.

Besonders in 3D wird man in solchen Momenten noch tiefer ins hervorragend modellierte Cockpit versetzt, bei dem das Lenkrad aus dem Bildschirm heraus zu ragen scheint. Trotzdem ist der räumliche Effekt insgesamt nicht so überwältigend, wie man ihn sich vielleicht vorgestellt oder gewünscht hat. Problematisch sind vor allem einige HUD-Anzeigen wie die Positionsanzeigen der anderen Fahrer, die andere Objekte wie z.B. den Innenspiegel überlagern. Sicherlich wird man diese Anzeigen in den Optionen anpassen und deaktivieren können - bei den Testfahrten wirkte das 3D-Bild aber deshalb nicht ganz homogen.

Zum ersten Mal sprach Yamauchi auch über den B-Spec-Modus, der bereits in experimenteller Form bei Gran Turismo 4 zum Einsatz kam und im fünften Teil als gleichwertige Säule neben dem A-Spec-Modus (also dem aktiven Fahren) stehen soll. Dabei handelt es sich nach Worten des Serienvaters um ein Rennsimulations-Rollenspiel. Einfacher gesagt: Man schlüpft hier in die Rolle eines Teamchefs, der am Kommandostand seinem bzw. seinen Fahrern Anweisungen gibt und die Rennen eher in der passiven Rolle an Live-Monitoren und Tabellen verfolgt. So kann man seinen Schützling z.B. per Knopfdruck sagen, dass er entweder mehr pushen oder es etwas ruhiger angehen lassen soll. Auch die Aufforderung zum Überholen kann genauso vom Kommandostand aus gegeben werden wie das Hereinholen zum Boxenstopp.

Dabei sollte man allerdings immer ein Auge auf den mentalen und körperlichen Zustand seines Fahrers haben, der anhand zweier Energiebalken dargestellt wird. Ist der Pilot erschöpft, neigt er genau so zu Fahrfehlern wie wenn man ihn zu sehr unter Druck setzt. Etwas fragwürdig war bei der Live-Demonstration allerdings die Beobachtung, dass die mentale Stärke unmittelbar nach einem Abflug neben die Strecke wieder komplett hergestellt wurde. Gerade nach einem solchen Parter müsste man doch eigentlich noch eine Weile angespannt sein, oder? Doch nicht nur der Zustand des Piloten will beobachtet werden, auch das Auto verändert sich im Laufe eines Rennens. Deshalb kann man an einem Schaubild den Reifen- und Bremsenverschleiß ganz genau mitverfolgen und entsprechend reagieren, falls es kritisch wird. Leider nimmt der Schützling momentan jede Anweisung wortlos hin und reagiert entsprechend. Für die finale Version würde ich mir zusätzlich noch Kommunikation zwischen dem Piloten und dem Kommandostand wünschen. Ich würde es z.B. toll finden, wenn mir mein Fahrer nach einigen Überholversuchen zu verstehen geben würde, dass er so seine Probleme mit meiner Anweisung hat. Startet man am Anfang mit nur einem Piloten, baut man sein Team im Laufe der Karriere immer weiter aus: Bis zu sechs Profis können betreut werden, wobei man für die Zulassung zum 24h-Rennen bereits mindestens vier Motorsportler unter seinen Fittichen haben muss.

Bereits auf der E3 wurde bekannt, dass GT5 auch mit einem Strecken-Editor ausgestattet werden soll. Wer sich bereits auf aufwändige MODs eingestellt und gefreut hat, wird allerdings enttäuscht sein: Das Erstellen eigener Kurse erinnert mehr an Lotus Esprit Turo Challenge 3 auf dem Amiga als an das, was man sich üblicherweise unter einem Editor vorstellen würde. Anstatt wie bei ModNation Racers die Streckenführung samt Landschaft komplett selbst zu kreieren, legt man hier lediglich Parameter für die Kurvenfrequenz, das Wetter, Höhenverhältnisse sowie die Breite der Straße fest. Der eigentliche Kurs wird dann anhand dieser relativ groben Parameter automatisch generiert - dies aber auf Wunsch immerhin sektorweise. So kann man auf einen kurvenreichen Abschnitt z.B. eine lange Gerade folgen lassen oder die Piste von einem zum nächsten Sektor verschmälern. Wer sich die ohnehin kaum vorhandene Arbeit sparen will, kann außerdem auf einen Shuffle-Modus zurückgreifen, bei dem die Parameter zufällig bestimmt und neue Strecken mit nur einem Knopfdruck erstellt werden. Diese lassen sich umgehend für eine Testfahrt besuchen und bei Gefallen abspeichern. Naja, insgesamt nicht gerade das, was man sich unter einem Streckeneditor vorgestellt hat...

Am Ende der Präsentation ging Yamauchi dann noch kurz auf den Fotomodus ein, der noch eine kleine Besonderheit bietet: An Einstellungen findet man von Verschlusszeiten bis hin zu diversen Filtern ohnehin schon alles, was das Fotografenherz begehrt. Es werden hier aber nicht nur hochauflösende Bilder von den Landschaften und Autos geschossen - nein, sie werden wahlweise auch mit einer 3D-Kamera geschossen, die für räumlich großartige Aufnahmen sorgt.

Auf meine anschließende Nachfrage bezüglich des Schadensmodells wich Yamauchi etwas aus und bekräftigte lediglich, dass sowohl Standard- als auch Premium-Modelle ein volles Schadensmodell besitzen werden. Eine Entwarnung gibt es aber (vorerst) in Bezug auf das kastrierte Starterfeld zu vermelden, das uns auf der E3 aufgefallen ist und auch auf der gamescom wieder auf acht statt 16 Boliden gestutzt wurde: Der deutsche Produkt-Manager bei SCED versicherte uns, dass in der finalen Fassung wie angekündigt bis zu 16 Autos über die Pisten brettern werden. Warum momentan nur die Hälfte an Wagen ihre Runden drehen, konnte er allerdings nicht begründen. Freunde von LAN-Sessions müssen außerdem noch bangen: Yamauchi wollte noch nicht bestätigen, dass es wie bei den Vorgängern eine System Link-Option geben wird - momentan sieht es diesbezüglich aber seinen Ausführungen zufolge eher schlecht als gut aus. Fest steht dagegen, dass Go-Karts definitiv den Weg ins Spiel finden werden. Ursprünglich wollte Yamauchi erst in Gran Turismo 6 die Gefährte in den Fuhrpark aufnehmen. Nachdem diese Information durchgesickert ist, hat er sich allerdings dazu entschlossen, bereits für GT5 die Karts aus der Garage zu holen. Hinter dem Wettersystem steht dagegen ebenfalls noch ein kleines Fragezeichen: Dass es verschiedene Witterungsbedingungen geben wird, gilt als sicher. Allerdings wird wohl nicht jede Piste in den Genuss dieses Features kommen.

Auch wenn ich bezüglich des Schadensmodells immer noch extrem skeptisch bin und mich auch mit dieser neuesten Fassung die KI mit ihrer sturen Ideallinien-Verteidigung nicht so richtig überzeugen konnte, verleiht der sinnvoll überarbeitete B-Spec-Modus der Simulation eine weitere, völlig andere Seite. Damit unterstreicht Gran Turismo 5 neben der anspruchsvollen Fahrphysik den Anspruch, ein wahres Umfangmonster zu werden. Am besten sollte Sony bereits jetzt damit beginnen, die Testmuster zu verschicken, damit wir bis zum Release am 3. November zumindest einen guten Teil der gewaltigen Liste an Features ausprobieren können. 

gc-Eindruck
: sehr gut