Game Developers Conference Europe 2012: GDC Europe 2012: Thomas Grips Designwünsche

Game Developers Conference Europe 2012
16.08.2012 00:46, Julian Dasgupta

GDC Europe 2012: Thomas Grips Designwünsche

In einem der letzten Vorträge auf der diesjährigen GDC Europe präsentierte Thomas Grip seine Sicht der Dinge zu aktuellen Mängeln beim Storytelling. Grip ist einer der Gründer von Frictional Games, die mit der Penumbra-Reihe erstmals auf sich aufmerksam machen und mit Amnesia: The Dark Descent noch bekannter wurden. Derzeit arbeiten die Schweden an ihrem nächsten Spiel; eine Fortsetzung zu ihrem Horror-Hit befindet sich derweil bei thechineseroom (Dear Esther) in der Mache. Dass deren Kreativer, Dan Pinchbeck und Grip in einigen Bereichen ähnlich ticken, wurde im Laufe der Ausführungen deutlich.

Story sei mehr als ein Plot - der Spieler solle schließlich etwas durchspielen, nicht einfach passiv erleben. Die klassischste Form des Erzählens von Geschichten in Spielen sei der Wechsel von Spielszene und Zwischensequenzen. Spiele wie Uncharted oder Skyrim hätten einen bestimmten Fluss, der sich allerdings seit 20 Jahren nicht verändert habe. Einer der Gründe dafür: Das Game-Design selber. Das funktioniere nämlich oft nach dem Prinzip einer Blackbox: Man beschäftigte sich vor allem mit den Werten, die eingegeben und ausgespuckt werden, und ihrer Optimierung - mit ihrer eigentlichen Funktionsweise setze man sich jedoch nicht auseinander.

Die menschliche Wahrnehmung sei kein festes unveränderbares Konstrukt, sondern hänge stark vom Input ab, so Grips Verweis auf die berühmte Gummihand-Illusion.
 
Als Beispiel führt Grip Slender an, welches eigentlich in einem recht simplen Level mit einer recht simplen Figur angesiedelt sei. Das Ergebnis sei dennoch sehr Angst einflößend. Ein Buch oder Film müsste sich deutlich mehr antrengen, um Vergleichbares zu erreichen. Jemandem beim Spielen von Slender zuzuschauen, sei etwas völlig anderes, als selbst Slender zu spielen. Eine zentrales Ziel der Interaktion sei es, eine Art "Präsenz" des Geschehens zu erzeugen.

In der Branche gebe es den Trend, alles komplexer und realistischer zu machen. Das erschwere die Produktion aber enorm, schließlich seien Elemente wie Physik oder KI nicht einfach. Je realistischer man etwas mache, desto größer seien auch die Erwartungen. Das, was man in einem Bereich gewinnt, verliere man oft in einem anderen. Früher habe man seinem Charakter einen Namen geben können - seit Texte in Spielen gesprochen und die Modelle dementsprechend lippensynchron angepasst werden, sei dies auf absehbare Zeit nicht mehr möglich.

Vielleicht sollte man die Systeme lieber einfach und übersichtlich lassen - der Spieler werde die Lücken mit seiner Vorstellungskraft füllen. Das menschliche Gehirn funktioniere in dieser Hinsicht besser als viele denken. Menschen seien darauf aus, eine Welt zu erschließen, zu vervollständigen und ihren Sinn zu erkennen.

All dies könne man mit künstlerischer Kreativität erreichen und müsse nicht auf neue Technologie warten. Um die Spielewelt zu erweitern und bereichern, müsse man nicht das nächste Skin-Shading oder andere Methoden verwenden - die notwendigen Werkzeuge seien vorhanden. Ein Werk wie das faszinierend merkwürdige Dinner Date funktioniere auf Basis herkömmlicher Mittel.

Es drehe sich nicht immer alles darum, den Spieler vor eine Herausforderung zu stellen. Spieler wollen eintauchen, und ein Spiel wie Journey schaffe es auch, Emotionen zu erzeugen, ohne dabei sehr knifflig zu sein. Womit Grip allerdings nicht meint, dass alle Spiele automatisch wie Dinner Date, Journey oder Dear Esther sein müssen.

Eine transparente Steuerung sei ein wesentlicher Faktor bei der Bindung des Spielers an seinen Avatar. Die Bedenung müsse deswegen nicht absolut simplifiziert werden - sie sollte aber so früh wie möglich erklärt werden, damit man sich den Rest der Zeit auf die "Präsenz" konzentrieren kann. Die Steuerung von Limbo könne man binnen zweier Minuten verstehen, das Spiel mache sie sich aber später in komplexen Situationen zu Nutze.

Entscheidungen müssten für den Spieler nachvollziehbar sein. In dieser Hinsicht sei Heavy Rain in gewisser Weise "total kaputt": Vor Entscheidungen werde man mit relativ einfach verständlichen Symbolen konfrontiert, nicht selten würden die Charaktere dann aber bei deren Ausübung "verrückte Dinge" machen.

Auch gelte es, Wiederholungen zu vermeiden: Die Glaubwürdigkeit einer Welt gehe verloren, sobald der Nutzer bestimmte Muster erkenne. Die Spielwelt müsse zudem konsistent sein. Eine bei Punkt A erfolgte Tätigkeit müsse auch bei Punkt B die gleichen erwartbaren Folgen haben. Ein Negativbeispiel: In Amnesia habe man einem Bereich einen Stein aufnehmen und verwenden können. An einer anderen Stelle hätte dies mit einem vergleichbaren Objekt aber nicht funktioniert.

Auch empfiehlt Grip Entwicklern, nicht auf Teufel komm raus immer auf fehlersichere Systeme zu bauen - der Spieler müsse auch scheitern können. Andernfalls habe man Wiederholungen im Konzept, da man ja sicherstellen müsse, dass ein Nutzer vielleicht etwas nicht verstanden habe und mehrfach erläutert bekommen müsse. Oder man verlasse sich auf Cutscenes, um sicherzustellen, dass auch wirklich alles korrekt verstanden sei. Spieler seien in der Regel nicht so unfähig, wie manch Hersteller vielleicht annehmen würde.