OnLive: Ex-Angestellte kritisieren Perlman

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29.08.2012 01:45, Julian Dasgupta

OnLive: Ex-Angestellte kritisieren Perlman

Nachdem es vor Tagen noch hieß, dass Steve Perlman auch nach dem "Reset" von OnLive als Geschäftsführer tätig sein werde, teilte das neu formierte Unternehmen gestern mit: Der Gründer werde sich zurückziehen und um andere Projekte kümmern. Charles Jablonski werde das Zepter übernehmen.

In einem Brief erklärt Perlman jetzt seinen Abgang. Der neue Hauptinvestor Garry Lauder habe ihn gebeten, im Unternehmen zu bleiben - nach reiflicher Überlegung habe er sich dann aber dagegen entschieden. OnLive sei gut aufgestellt - er könne den Anbieter jetzt verlassen, ohne sich sorgen zu müssen. Nach zehn Jahren Arbeit beim Stream-Dienst wolle er sich um anderes  kümmern, das seine Aufmerksamkeit benötigen.

Es war gemunkelt worden, dass Lauder letztendlich auch auf Druck der Angestellten reagiert hatte, von denen sich nicht wenige geweigert hatten, nochmal unter Perlman zu arbeiten. Die Kollegen von Polygon hatten die Gelegenheit, sich mit ehemaligen Mitgliedern des Dienstes zu unterhalten. Allzu viel Lob für Perlmans Führungsstil gab es nicht.

Skalierungsprobleme und Animositäten

Man habe nie die Nutzerzahlen erreicht, die man anvisierte, so einige der einstigen Angestellten. Selbst wenn man mehr Kunden für sich gewonnen hätte, sei nicht sicher gewesen, ob der Dienst so funktionieren könne. Man habe einen Rechner pro Nutzer benötigt, obwohl sich Perlman & Co. um  mehr als einen "PC" pro Server bieten bemüht hatten.

Von den 1,5 Mio. angeblichen Nutzern hätten die meisten nie Geld ausgegeben. Homefront galt mit ein paar Tausend verkauften Einheiten schon als erfolgreich. Ein Abo habe mehr Zuspruch gefunden, insgesamt habe es jedoch nur 12.000 Nutzer dafür gegeben. Die Mikrokonsole habe OnLive nur mit Verlusten verkaufen können.

Firmen wie Activision, Electronic Arts oder Bethesda seien nicht auf dem Dienst vertreten gewesen. Was jedoch nicht immer mit einer Zurückhaltung der Publisher begründet werden konnte. Perlmans Hass auf die Konkurrenz von Gaikai sei nicht förderlich gewesen. So habe er den Gaikai-Mitgründer David Perry auf der GDC 2009 angeschrien, als dieser beim OnLive-Stand vorbeischaute.

Als Gaikai dann ein Jahr später genau am Launchtag von OnLive ein Abkommen mit EA verkündete, habe Perlman so laut getobt, dass man den Konferenzraum im E3-Stand schließen und Musik aufdrehen musste, damit niemand die Tiraden mitbekam. Obwohl die Konkurrenz nur Demos per Stream lieferte, bestand er gegen Ratschlag seines Chief Operating Officers dann darauf, dass EA-Titel wie Mass Effect 2 oder Dragon Age kurz vor dem Startschuss aus dem OnLive-Portfolio geschmissen werden. Der Publisher hat sich geweigert, sich exklusiv zu binden.

Auch andere Spiele seien aus jenem Grund nicht bei OnLive aufgetaucht, obwohl sie schon komplett durchgetestet und angepasst worden waren. Ubisoft sei ebenso gedroht worden - die Software des Publishers blieb aber letztendlich im Angebot. Valve sei interessiert an einigen Testläufen gewesen, sei aber mit umfangreichen Vorschlägen abgeschreckt worden. Ein Deal mit Bethesda kam nicht zustande, da OnLive nicht die Kosten für die Anpassungen und die Tests übernehmen wollte.

Perlman, der einen Mehrheitsanteil an OnLive hielt, habe gelegentlich sehr eigenmächtig gehandelt und den Aufsichtsrat überstimmt. Auch habe er sich einen Assistenten geleistet, der sich darum gekümmert habe, dass seine Teeregale stets gefüllt waren. Mit Etienne Handman habe er zudem später einen alten Bekannten als Chief Operating Officer durchgesetzt, der diverse Deals blockierte, die er mangels Spieleeexpertise nicht richtig verstanden hatte.

Perlman habe nicht selten "obsessives Micromanagement" betrieben. Auch habe es nie ein richtiges Marketingbudget gegeben, welches man aber benötigt hätte, um mehr Nutzer anzusprechen. Perlman habe sich in viele Bereiche eingemischt und auch nie ein Problem damit gehabt, Angestellte vor dem ganzen Büro niederzumachen, wenn ihm etwas nicht gefiel.

Angebliche Angebote von Sony, Adobe und Dell seien ausgeschlagen worden. Vergangenen Juni habe schließlich HP angeklopft und 10.000 US-Dollar gelöhnt, dass überhaupt Gespräche eröffnet werden. Der Konzern habe dann nochmal 15 Mio. Dollar überwiesen und damit das Recht erworben, zwei Monate lang exklusiv mit OnLive verhandeln zu können. HP sei wohl vor allem an der Remote Desktop-Applikation interessiert gewesen. Auch jener Deal wurde aber nie verwirklicht. Kurz vor der Insolvenz sei noch gemunkelt worden, dass LG, Samsung und Vizio einen Blick auf die Firma geworfen hatten.