Game Developers Conference Europe 2015 - Erster Rückblick auf ein neues Modell der Spieleentwicklung: "Hellblade: An Independent AAA Experiment"

Game Developers Conference Europe 2015
04.08.2015 18:31, Benjamin Schmädig

Game Developers Conference Europe 2015 - Erster Rückblick auf ein neues Modell der Spieleentwicklung: "Hellblade: An Independent AAA Experiment"

Im vergangenen Jahr stellte Tameem Antoniades, kreativer Kopf bei Ninja Theory (Heavenly Sword, Enslaved, DmC) das vor, was er als AAA-Independent, oder Triple-A-Independent bezeichnet. Darunter versteht er ein Produktionsmodell, bei dem Spiele mit geringerem Budget entstehen. In diesem Jahr blickte Antoniades zum ersten Mal zurück: Wie gut funktioniert Triple-A-Independent für Ninja Theory bisher? Wie gut kommt das mit diesem Modell entwickelte Hellblade voran?

Eine Hürde, die das Studio überwinden musste, ist die kleinere Größe des Entwicklerteams. Denn ein geringeres Budget bedeutet vor allem weniger bezahlbare Arbeitsplätze. Gerade mal fünfzehn Personen arbeiten momentan an Hellblade, nachdem Ninja Theory Teamgrößen von mehr als Einhundert gewohnt war. Die Umstellung brauchte Zeit: Zum einen verkörpert jeder Einzelne jetzt in Personalunion, was früher ganze Abteilungen waren (Level-Designer, Artdirector, Kampfsystem-Designer u.a.) und zum anderen müssen sämtliche Entwickler auch Aufgaben übernehmen, die nicht unter ihre eigentliche Expertise fallen. Statt einer Hierarchie gebe es zudem flache Strukturen; jeder habe im Grunde ein gleich großes Mitspracherecht. Ganze neun bis zwölf Monate habe es gedauert, bis alle sich in ihre neuen Rollen eingelebt und eingearbeitet hatten.

Antoniades glaubt durchaus, dass eine so überschaubare Truppe eine Qualität erreichen kann, die mit teuren Produktionen mithalten kann. Zumindest zeigt er auf, dass für die Entwicklung eines aufwändigen Spiels viele Menschen bezahlt werden, die gar nicht an dessen Entstehung beteiligt sind. Werkzeuge wie Unreal- und Unity-Engine hätten viele Prozesse zudem stark vereinfacht – auf Nachfrage weist er später noch darauf hin, dass selbst ein kleines Independent-Studio mit einer kreativen Idee grafisch Eindrucksvolles schaffen könne.

Interessant ist sein Einblick in die Entwicklung einer Technik, die das Aufnehmen von Mimik und Gestik ähnlich teurem Motion-Capturing ermöglicht: Ninja Theory habe über zahlreiche, darunter viele fehlgeschlagene Experimente, aus handelsüblichen Geräten eine Aufnahmetechnik erschaffen, die das Drehen von Filmszenen im eigenen Versammlungszimmer erlaube.

Schließlich ist dem Geschichtenschreiber erneut die Geschichte und vor allem seine Hauptfigur sehr wichtig und so geht er im Rahmen seines Vortrags darauf ein, wie er den Charakter der Protagonistin mithilfe eines Neuropsychologen geformt habe: Die keltische Kriegerin Senua leidet unter Symptomen, die u.a. mit Schizophrenie in Verbindung gebracht werden – die Krankheit sei zwar nicht das vordergründige Thema des Abenteuers, aber ein wichtiger Teil der Charakterisierung.

Die akribische Arbeit brachte dem Studio sogar Anerkennung des Wellcome Trust ein, einer gemeinnützigen Organisation, die medizinische Projekte unterschiedlicher Art unterstützt und Anerkennung bedeutet in diesem Fall finanzielle Hilfe. Die Organisation sei dabei nicht auf eine akkurate Analyse der Krankheit aus, unterstützt aber das Darstellen des Leidens auch in Unterhaltungsmedien. Oder wie Antoniades es formuliert: "Ein Tabu kann man brechen, indem man es an die Öffentlichkeit trägt."

Eine Kickstarter-Kampagne will der Kreativkopf übrigens nicht starten – zumindest so lange nicht, wie er von dem Erfolg des für ihn neuen Produktionsmodells überzeugt sei. Der Spieleregisseur blieb ohnehin auf dem Boden der Tatsachen und nannte sich selbst "vorsichtig optimistisch" in Bezug auf den erfolgreichen Abschluss des Projekts.

Die Hilfe eines Publishers hätte Ninja Theory dabei durchaus in Anspruch genommen. Weil das Studio die Rechte an Hellblade behalten wollte, lehnten allerdings alle Gefragten ab. Schon im vergangenen Jahr erklärte Antoniades, dass er gerne Fortsetzungen zu Heavenly Sword, Enslaved und DmC: Devil May Cry machen würde. Die Rechte dafür liegen allerdings bei den jeweiligen Publishern.

Ob es einen der Nachfolger irgendwann geben wird? Eine kleine Hoffnung besteht. Zumindest erwähnte Antoniades wenig vielsagend, aber deutlich hörbar, dass sein Studio derzeit an verschiedenen Projekten arbeiten würde, von denen Hellblade nicht das größte sei.

Und wie geht es mit dem Abenteuer um die keltische Kriegerin Senua weiter? Wichtig sei zunächst die offene Entwicklung, an der die Fans teilhaben können. Monatliche Entwicklertagebücher sollen ebenso dazu beitragen wie Blogeinträge oder das Beantworten ihrer Fragen. Als frühe Version, z.B. im Rahmen von Early Access werde Hellblade allerdings nicht erscheinen: Zu wichtig sei Ninja Theory die Geschichte. Vorwegnehmen wolle Antoniades kein Stück seiner Erzählung. Immerhin sei Hellbalde nicht nur ein Experiment. Als geistige Fortführung seiner vergangenen Projekte wolle der Spielemacher erneut starke Fantasy mit packenden Kämpfen erschaffen.