id Software: John Carmack grübelt über Grafikwahn

id Software
10.04.2007 05:53, Julian Dasgupta

John Carmack grübelt über Grafikwahn

In der aktuellen Ausgabe der Games for Windows äußert sich John Carmack besorgt über den mittlerweile extrem hohen Aufwand, der für Grafiken betrieben werden muss. Er sei sich nicht sicher, ob das derzeitige Streben nach immer realistischerer Grafik "der richtige Weg sei."

So seien die Hersteller mittlerweile quasi dazu gezwungen, Millionen von Dollars in die Entwicklung von Grafik zu stecken, weil heutzutage ein Spiel mit einem exzellenten Konzept Gefahr laufe, kaum Beachtung von Spielern geschenkt zu bekommen, wenn es nicht auch optisch auffalle. Sagt der Mann, der bei id Software seit Anbeginn aller Zeiten für die Entwicklung der Engines zuständig ist.

Vor zehn Jahren noch hätte man als Entwickler viele Freiheiten gehabt und wie "undisziplinierte Primadonnen" arbeiten können. Der knallharte Wettbewerb um FPS-Genre lasse dies nicht mehr zu. Dies sei ein Zeichen für Carmack, dass interessantere Aufgaben in anderen Bereichen auf ihn warten könnten. Kleinere Projekte würden es einem ermöglichen, innovativer, aber auch schneller zu arbeiten.

Vor einiger Zeit hatte er zusammen mit Fountainhead an dem Mobiltelefon-RPG Orcs & Elves gearbeitet. Derzeit überlege man, eine erweiterte Fassung des Spiels für den Nintendo DS zu entwickeln.

"Ich habe mir jetzt eine Zeit lang die technischen Spezifikationen und die Dokumentation des DS angeschaut, um zu sehen, was man damit engine-technisch anstellen kann. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass ich mich eine Woche hinsetze, um eine 3D-Engine (für den DS) zu schreiben. Das wird Spaß machen."

Ebenfalls wolle man mit Electronic Arts, dem Publisher des Spiels, über eine Wii-Umsetzung reden, da man so einige Ideen für eine entsprechende Steuerung habe. Auch könne er sich vorstellen, dass Orcs & Elves irgendwann für PC entwickelt wird.

Generell sieht er die Umkehrung des Verfahrens - also eine Marke per Handy-Spiel etablieren, um sie dann später auch auf PC und Konsolen umzusetzen - als einen neuen Weg. Schließlich seien die Entwicklungskosten eines derartigen Spiels, und damit das Risiko, deutlich geringer.

Über ids derzeitiges für PC, PS3 und Xbox 360 entwickeltes, aber noch nicht enthülltes Projekt: man konzentriere sich dieses Mal zuerst vollständig auf Gameplay und Leveldesign, auch wenn es manchmal schwer sei, nicht der Versuchung, alles gleich aufzuhübschen, zu erliegen. Carmack setzt derzeit nicht stark auf DirectX10-Features, da man ursprünglich nicht vorhatte, das Spiel nur für Vista herauszubringen. Er selbst benutze noch Windows XP und sehe keine Anlass umzusteigen, da jenes Betriebssystem eigentlich alles biete, was er brauche.

Allerdings, so Carmack, sei es "gut möglich, dass unser Spiel nur für Vista erscheinen wird", wenn sich der Markt dementsprechend entwickle. Die Unterstützung eines einzigen Betriebsystems würde den Support bedeutend vereinfachen.

Der Entwickler habe auch schon erste Ideen für einen weiteren Teil einer anderen Serie: ein Doom: Enemy Territory, in dem Menschen gegen Dämonen antreten, wäre durchaus interessant, allerdings sei dies derzeit nicht mehr als eine reine Gedankenspielerei. Allers andere wäre auch verwunderlich, schließlich ist Enemy Territory: Quake Wars noch in Produktion bei Splash Damage.

Carmack, der mittlerweile den Quellcode der ersten drei Quake-Engines als Open Source freigegeben hat, pflegt eine kritische Einstellung zu Softwarepatenten. Der Entwickler hatte bereits unerfreuliche Erfahrungen mit diesem Thema machen müssen, als ein in der Doom 3-Engine verwendetes Verfahren kurz zuvor patentiert wurde und id Software dann Lizenzgebühren entrichten musste.

"Dieses ganze Getue um das geistige Eigentum ist ein echtes Disaster. Eine Farce, wenn man sich das genauer hinsieht. Man schaue sich beispielsweise die Grafik(karten)hersteller an. Diese - jeder einzelne von ihnen - verletzen die Patente anderer Leute. Die wissen das und sagen ihren Entwicklern explizit: "Schau dir keine Patente an, mach deinen Job, wir kümmern uns später um den Rest."

Dei eigentliche Grundgedanke des Patentsystems ist schon lange verloren gegangen und im Softwarebereich wird es immer schlimmer."

Wenn man 10.000 Programmierer an ein Problem setze, so Carmack, dann würden diese nämlich auch unabhängig voneinander zu einer relativ ähnlichen Lösung kommen.