Spielkultur: Sind Nutzerinhalte überbewertet?

Spielkultur
14.06.2007 07:46, Julian Dasgupta

Sind Nutzerinhalte überbewertet?

User-generated Content (UGC) - von Nutzern erstellte und bereitgestellte Inhalte - ein Schlagwort, das derzeit einige Firmen elektrisiert. Nachdem die Web 2.0-Welle binnen kurzer Zeit Phänomene wie YouTube gebar, sehen auch Spielehersteller ihre Kunden zunehmend nicht nur als reine Konsumenten ihrer Produkte. Einer der populäreren Vertreter dürfte wohl Second Life sein, welches es Teilnehmern ermöglicht, Land zu erwerben, dieses zu gestalten und außerdem eigene Modelle, Texturen und Animationen einzubinden.

Auch andere Firmen schenken den Spielern mehr Beachtung. Sony rief auf der Game Developers Conference "Game 3.0" aus und sieht dies als zentrales Konzept von Spielen wie LittleBigPlanet. Microsoft gar ermöglicht es mit XNA jedem Spieler, Software für die Xbox 360 zu entwickeln - derzeit nur daheim und auf der eigenen Konsole, die Roadmap des Konzerns sieht allerdings ein Distributionssystem vor, das irgendwann kommen wird.

Nicht überall findet UGC Zuspruch - auf der Digital Hollywood-Konferenz unterhielten sich mehrere Entwickler im Rahmen einer Diskussionsrunde über dieses Thema. So sagt David Christensen von Sony Online Entertainment, dass man hoffe zu wissen, was die Spieler eigentlich wollen, und bisher nicht die Notwendigkeit gesehen habe, eigene Titel UGC gegenüber zu öffnen. Origin-Veteran Starr Long, der nun für NCSoft an Tabula Rasa arbeitet, findet auch recht deutliche Worte:

"Es gibt einen Grund, warum Leute wie wir fest angestellt sind und bezahlt werden, um Spiele zu machen, und es gibt einen Grund, warum das bei den meisten anderen nicht der Fall ist. Sie sind einfach zu schlecht."

Mike Goslin von Disney ergänzt, dass sich die Nutzer ihrer Spiele ja bereits über die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten der Charakterattribute selbst verwirklichen könnten. Auch würden von Spielern eingebrachte Inhalte von der Marke Disney ablenken. 99 Prozent der Leute würden eh Dinge erstellen, die "ästhetisch nicht zufriedenstellend" seien.

Einzig Matt Bostwick von MTV scheint die Welt nicht zu verstehen. Die Diskussion erinnere ihn an die Fernsehindustrie, die YouTube belächelte und sich fragte, "wer sich diesen Müll den angucken wolle." Schon aus rein wirtschaftlicher Sicht müsste man UGC berücksichtigen.

Raph Koster, vormals bei Origin und später bei Sony Online Entertainment tätig, schaut in seinem Blog gar weiter zurück . In den 90ern habe es ebenfalls eine alteingesessene Garde im Onlinebereich gegeben, die meinten, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und es besser als andere zu wissen. Bis Firmen außerhalb dieses Kreises anfingen, Geld in die Hand zu nehmen und Amateure und Hobbyisten anzuheuern, die etwas Neues schufen und die alte Generation obsolet machten oder zur Anpassung zwangen.

Jene Anfänger, das seien Leute wie er oder Starr Long gewesen, die Spiele wie Ultima Online produzierten und so diesen Markt grundlegend veränderten. In vielerlei Hinsicht sei man jetzt selbst die alte Garde geworden, mahnt er, und sieht in Firmen wie MTV die nun aufstrebende Generation. Koster gilt selbst als Verfechter von UGC, und es dürfte mehr als wahrscheinlich sein, dass dies auch ein zentrales Konzept jener Dinge, an denen seine Firma derzeit werkelt, sein wird.